Anatomie Einer Nacht
markieren. Er hat die Fischer oft bei ihrer Arbeit beobachtet, zu einer Zeit, als er glaubte, selbst Fischer und vor allem Jäger werden zu wollen. Ein Kanister Benzin und eine verrostete Stoßstange stehen neben der Tür. Per drückt sich an ihnen vorbei ins Innere des Hauses, der Durchgang ins Wohnzimmer ist mit einer blauen Wolldecke abgehängt.
Er bleibt stehen und horcht, denn er glaubt, ein Atmen zu hören. Richtig, jemand atmet, laut, aber flach, ein Röcheln, er stolpert über die Stiefel, die auf dem Boden vor dem Wohnzimmer verstreut liegen, stößt mit den Füßen gegen Sportschuhe, Wanderschuhe und tritt auf steife Plastiktaschen, das Atmen hört auf, er überlegt, ob er umkehren soll, als es sich wieder meldet, gleichmäßig, schleppend, und er schleicht, diesmal auf Zehenspitzen, leise, leise, den schmalen Gang entlang, zwischen der Waschmaschine und der Treppe in Richtung Küche, Straßenlicht fällt auf die Theke, auf die Schüssel mit den eingelegten Fischteilen. In diesem Moment hört er das Knarren einer Tür, das Geräusch kommt aus dem ersten Stock, das Ganglicht wird angeknipst und jemand schreit: Mach, dass du wegkommst!
Plötzlich regnet es Bücher, Per muss sich ducken, beugen, springen, um dem Hagel zu entgehen, Hefte, Schuhe, Kinderschuhe, Damenschuhe, aber auch Mützen, Schals, Handtücher, und Per ruft zurück, er sei kein Dieb, dann brüllt er, um zu brüllen und auch, weil er sich erschreckt hat, und in seiner Angst greift er nach einer der beiden Jagdflinten, die an der Wand hängen, lang, braun, mit hölzernem Schaft, er klemmt sie sich unter den Arm und schreit: Ich werde euch alle erschießen –
und flieht, rutscht im Vorraum aus, die Waffe noch immer unter dem Arm, sie fängt den Sturz ab, er fällt auf ein Knie, rappelt sich schnell auf, noch immer wirft der Alte Gegenstände nach ihm, er steht auf der Treppe und wirft, und Per sprintet durch die Haustür, mit erhobenen Armen.
Ole hält die Schnur unschlüssig in den Händen.
Die ist sehr dünn. Sie wird einschneiden.
Nein, wird sie nicht, ich werde sie dir polstern.
Und wer soll deine polstern?
Das schaffe ich selbst.
Das Handtuch wird durchrutschen.
Ole schielt auf das Telefon, die Anzeige ist erloschen.
Du hast recht. Diese Schnüre sind ungeeignet.
Magnus lässt seine Augen durch den Raum wandern.
Aber es gibt nichts anderes. Ich habe überall gesucht, und ins Schlafzimmer meiner Großeltern kann ich nicht, nicht heute Nacht.
Er seufzt, verhalten; die Pause bleibt, weil sie eine Leerstelle ist.
In diesem Moment hören sie Schritte im Nebenraum, das Öffnen von Schranktüren und Schubladen, sie hören ein Rumoren, ein Rumpeln und Pochen, dann hören sie, wie die Tür mit einem Ruck geöffnet wird, und Kuupik schreit: Mach, dass du wegkommst!
Magnus läuft zur Zimmertür, öffnet sie einen Spaltbreit. Ole folgt ihm, hockt sich neben ihn, er linst oben, Magnus unten durch die Ritze.
Ich werde euch alle erschießen!
Poltern. Jemand stolpert. Türenknallen. Danach Stille. Kuupik murmelt, schlurft zurück ins Zimmer, schließt die Tür.
Magnus kriecht durch den Spalt in den Flur.
Schau doch!
Ole folgt ihm.
Zwischen Büchern, Schuhen und Socken liegen, auf dem Boden verstreut, Strümpfe, zusammengeknotet und lose, Paare und Einzelteile, Mützen, Handschuhe, Schuhe und Schals, lange dünne, kurze dicke, lange dicke, in allen Variationen, Längen und Farben.
Magnus lächelt.
Genau das, was wir brauchen.
Wo warst du?
Jørn spricht im Halbschlaf, er hält seine Augen geschlossen, und auch die Lippen murmeln nur halboffen. Er schläft mit dem Kopf in der Spalte zwischen seinem und Mikileraqs Kissen und hat sein Gesicht in den Stoff gegraben. Mit kaltem Gesicht könne er nicht einschlafen, meinte Jørn, als er das erste Mal bei ihr übernachtete, in Kopenhagen, wo sie am Gymnasium und er, ein grönländischer Auswanderer, als Mechaniker in einer Werkstatt arbeitete und sie ihn kennenlernte, weil sie mit dem Auto eines Freundes eine Mauer gerammt hatte und es reparieren lassen wollte, ehe dieser den Schaden entdecken würde.
Jørn konnte den Wagen nicht rechtzeitig flicken, und Hennings Mutter, denn es war ihr Fahrzeug, zeterte und schimpfte, aber, dachte Mikileraq, das war es wert, denn sie fand, als ihr Jørn begegnete, ein Zuhause, das sie von diesem Tag an überallhin begleiten sollte.
Unten bei Maja. Schlaf weiter.
Es war eigenartig, Jørn zu treffen, denn er trug den gleichen Namen wie der Junge, in den
Weitere Kostenlose Bücher