ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)
war.
"Hör, mein guter Freund" sagte der Schatten zu dem gelehrten Manne, "nun bin ich so glücklich und mächtig geworden, wie man es nur werden kann; nun will ich auch etwas ganz Besonderes für Dich tun. Du sollst immer bei mir im Schlosse wohnen, mit mir in meinem königlichen Wagen fahren und tausend Reichstaler im Jahre bekommen; aber dann mußt Du Dich Schatten nennen lassen von all und jedem Menschen. Du darfst nicht sagen, daß Du jemals Mensch gewesen bist, und einmal im Jahre, wenn ich im Sonnenschein auf dem Altan sitze und mich dem Volke zeige, mußt Du zu meinen Füßen liegen, wie es sich für einen Schatten gehört. Jetzt kann ich es Dir ja sagen, ich heirate die Königstochter. Heute abend soll die Hochzeit sein."
"Nein, das ist doch der Gipfel der Tollheit!" sagte der gelehrte Mann. "Das will ich nicht, und das tue ich nicht. Das heißt das ganze Land betrügen und die Königstochter dazu! Ich sage alles! daß ich der Mensch hin und Du der Schatten; Du bist ja nur angezogen!"
"Das wird Dir keiner glauben!" sagte der Schatten, "sei vernünftig, oder ich rufe die Wache!"
"Ich gehe stehenden Fußes zur Königstochter!" sagte der gelehrte Mann. "Aber ich gehe zuerst!" sagte der Schatten, "und Du gehst ins Gefängnis!" - Und das mußte er, denn die Schildwache gehorchte demjenigen, von dem sie wußte, daß die Königstochter ihn heiraten wollte.
"Du zitterst!" sagte die Königstochter, als der Schatten zu ihr hereintrat, "ist etwas geschehen? Du darfst nicht krank zu heute abend werden, jetzt, wo wir Hochzeit machen wollen."
"Ich habe das Greulichste erlebt, was man erleben kann!" sagte der Schatten, "denke Dir - ja so ein armes Schattengehirn kann nicht viel aushalten! - denke Dir, mein Schatten ist verrückt geworden. Er glaubt, er wäre der Mensch und ich - denke Dir nur - ich wäre sein Schatten!"
"Das ist ja furchtbar!" sagte die Prinzessin, "er ist doch eingesperrt?"
"Das ist er! Ich fürchte, er wird nie wieder zu Verstand kommen!"
"Armer Schatten!" sagte die Prinzessin, "er ist sehr unglücklich. Es würde eine wahre Wohltat sein, ihn von dem bißchen Leben zu befreien, das er hat. Wenn ich es recht bedenke, glaube ich, es wird notwendig sein, es mit ihm in aller Stille abzumachen!"
"Das ist freilich hart!" sagte der Schatten, "denn er war ja ein treuer Diener!" Und dann tat er, als ob er seufzte.
"Sie sind ein edler Charakter!" sagte die Königstochter.
Am Abend wurde die ganze Stadt illuminiert, und die Kanonen schossen: bum! und die Soldaten präsentierten das Gewehr. Das war eine Hochzeit! Die Königstochter und der Schatten gingen auf den Altan hinaus, um sich sehen zu lassen und noch einmal ein Hurra! zu bekommen.
Der gelehrte Mann hörte nichts mehr von alledem, denn ihm hatten sie das Leben genommen.
Die Sparbüchse
Da gab es soviel Spielzeug in der Kinderstube; oben auf dem Schranke stand die Sparbüchse. Sie war aus Ton und hatte die Gestalt eines Schweins. Auf dem Rücken hatte sie natürlich einen Spalt und der Spalt war mit einem Messer noch größer gemacht worden, damit auch Silbertaler hineingehen könnten, und es waren wirklich zwei, neben vielen anderen Schillingen, durch den Spalt gewandert. Die Sparbüchse war vollgepfropft, daß sie gar nicht mehr klappern konnte, und das ist das Höchste, wozu eine Sparbüchse es bringen kann. Da stand sie nun ganz oben auf dem Schranke und sah auf alles in der Stube herab, sie wußte recht wohl, daß sie mit dem, was sie im Bauche hatte, das Ganze hätte kaufen können, und das ist ein angenehmes Bewußtsein.
Das dachten die anderen auch, obwohl sie es nicht sagten; es gab ja auch andere Dinge, um darüber zu sprechen. Die Kommodenschublade stand halb aufgezogen und darin erhob sich eine große Puppe; etwas alt war sie schon und am Halse gekittet. Sie guckte heraus und sagte: "Wollen wir nun Menschen spielen? Das ist doch immer etwas!" Und dann rührte es sich überall emsig, sogar die Bilder drehten sich an den Wänden, sie zeigten, daß sie auch eine Kehrseite hatten, und dagegen war nichts zu sagen.
Es war mitten in der Nacht. Der Mond schien zum Fenster herein und gab seinerseits freie Beleuchtung dazu. Nun sollte das Spiel beginnen, alles war eingeladen, selbst der Kinderwagen, der doch zu dem gröberen Spielzeug gehörte. "Jedes Ding hat sein Gutes" sagte er. "Es kann nicht jeder von Adel sein. Einer muß ja immer die Arbeit tun."
Die
Weitere Kostenlose Bücher