Liebe mich... bitte nicht
Prolog
„Jingle Bells, Jingle Bells! Ist das nicht eine herrliche Weihnachtszeit, liebe Bostoner? Endlich hat es angefangen zu schneien, in einer Woche ist Weihnachten. Genießen Sie ein besinnliches Beisammensein mit der lieben Familie. Heute möchte ich von Ihnen wissen, mit wem feiern Sie das Fest der Liebe? Hier ist Luther Sullivan von Radio One A und hier kommt mein Weihnachtssong für Sie. Kuscheln Sie sich an Ihre Liebsten und lassen Sie sich berieseln...“
Beth schlug mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, auf ihren Radiowecker, der mit einem lauten Aufprall zerbrochen auf dem Boden landete.
Fest der Liebe. Ihre Liebsten. Ein besinnliches Beisammensein . Dass sie nicht lachte!
Dies war das schrecklich ste Jahr ihres sechsundzwanzigjährigen Lebens gewesen und sie bildete sich nicht ein, dass es jemals wieder besser werden würde.
„Du kannst mich mal, Luther “, fluchte sie und bewegte ihren unmotivierten, müden Hintern, aus ihrem extragroßen Bett. Der einzige Luxus, den sie sich in diesem schäbigen Apartment gegönnt hatte. Aber die Miete war extrem niedrig für Bostoner Verhältnisse und mit ihrem Krankenschwesterngehalt war momentan auch nicht viel mehr drin.
Sicher , konnte sie jederzeit auf ihr Erbe zurückgreifen, dass nach dem Verkauf ihres geliebten Elternhauses erheblich angestiegen war, doch das brachte sie nicht übers Herz.
Genau so wenig hatte sie es allerdings ertragen, weiterhin in einem – für sie alleine – viel zu großen Haus, vollgestopft mit schmerzlichen Erinnerungen zu leben. Das Haus hatte ohne die richtigen Menschen darin, einfach keinen Wert mehr für sie.
Dennoch konnte sie es nicht lassen, täglich nach der Arbeit daran vorbeizufahren und sich vorzustellen, wie es wäre, ihren Wagen in der großzügigen Einfahrt abzustellen, an die große hölzerne Tür zu klopfen und sich in den Schoß ihrer geliebten Familie zu vergraben.
Doch dieser Ort bestand nicht mehr.
Stattdessen lebte Beth spartanisch eingerichtet in einer Straße, drei Blocks vom Krankenhaus, in dem sie arbeitete, entfernt. Als sie die Bar das erste Mal mit ein paar Kolleginnen besucht hatte, hatte sie es eigentlich als ganz nett dort empfunden. Erstaunlich sauber und das Fast Food das angeboten wurde, war immerhin noch tausend Mal ansehnlicher, als das geschmacksneutrale Gummigemüse, das man ihnen in der Krankenhauskantine als Mittagessen vorstellte.
Als sie dann , nach dem Verkauf des Einfamilienhauses, bei ihrer verzweifelten Suche nach einer geeigneten, bezahlbaren Unterkunft in der Nähe der Klinik auf ihr jetziges Apartment gestoßen war, hatte sie nicht lange nachgedacht. Ungesehen hatte sie die Wohnung gemietet, die sich über besagter Bar befand, die sie ein paar Monate zuvor besucht hatte.
Die Vorauszahlung war dem Vermieter gerade recht gekommen, wie ihr e rschienen war, weshalb die Übergabe auch schnell und problemlos funktioniert hatte. Der nette Barkeeper, mit der undurchdringlichen Miene und den freundlichen, beinahe schwarzen Augen, hatte ihr mit einem breiten sexy Lächeln im Gesicht die Schlüssel überreicht.
Warum er so belustigt gewesen war, hatte sie recht schnell schmerzhaft herausfinden müssen.
Mit stolzgeschwellter Brust, hatte sie sich mit ihrem ersten von drei Koffern, über die steile Holztreppe ins Obergeschoss gekämpft. Da es auf dieser Etage nur eine Tür gab, hatte sie voller Elan ihre neue Wohnung betreten und wäre am liebsten, bei der ersten Betrachtung der Tragödie, auf dem Absatz wieder umgekehrt.
Doch sie hatte keine Wahl. Ihr Elternhaus war bereits verkauft und die neuen Besitzer, die sie dank ihrem Makler nicht persönlich treffen musste, hatten ihren Einzug schon für die folgende Woche angekündigt.
Etwas Besseres als dieses , eigentlich großzügige Apartment, gab es momentan einfach nicht für sie. Die Wohnung war wirklich groß und offen und auch hell... leider waren das auch schon die einzigen positiven Attribute dieser Bruchbude.
Im Gegensatz zu der Bar im Erdgeschoss, die sehr gepflegt, sauber und modern eingerichtet war, war dieses Apartm ent... naja nicht eingerichtet.
Auf dem Boden , direkt an den Wänden fand sich jede Menge abgefallener Putz, die Fensterläden waren nicht existent, bei den Fenstern selbst ließ sich bezweifeln, ob sie leichten Nieselregen abhalten würden, so marode schien ihr das Holz. Der Holzboden knarrte schrecklich und warf Risse hier und da auf. Beth konnte nur hoffen, nicht eines Tages unfreiwillig in der Bar
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