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Androidenträume

Titel: Androidenträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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auf-Getags gut leben, weil das Opferschaf nicht sprechen konnte (was der Gehirnscan bestätigte) und während der Zeremonie ohnehin getötet wurde. Somit oblag die Beantwortung der Fragen immer einem Mitglied der Sippe, der das Schaf gehörte. Nach den niduanischen Gesetzen waren die auf-Getags die einzige Sippe, die Schafe der Androidentraum-Rasse halten durften. Selbst wenn ein Mitglied einer anderen Sippe ein solches Schaf zur Verfügung stellte, wäre es dem Schafdieb nicht erlaubt, die Fragen zu beantworten.
    Dieses winzige Detail der Krönungszeremonie war das bestgehütete Geheimnis der auf-Getag-Sippe und nur ihrer Führungsschicht bekannt. Dazu gehörten Hubu-auf-Getag, der an der heutigen Zeremonie teilnehmen würde und fest damit rechnete, sie selber zu Ende zu bringen, wenn Narf-win-Getag mit seinem Versuch gescheitert war. Danach beabsichtigte er, Narf-win-Getag wegen Verrats exekutieren zu lassen, und zwar genau hier auf den uralten und unvorstellbar kostbaren Teppichen in der Großen Halle, vor den Augen sämtlicher Besucher von den unterschiedlichsten Welten. Dann würde er sich um die Captains der Glar- Zerstörer kümmern. Und dann wollte er – einfach so aus Spaß – die win-Getag-Sippe dezimieren und wahllos einen von zehn Sippenangehörigen hinrichten lassen. Damit hätte er jede Aufsässigkeit unter den anderen Sippen für sehr lange Zeit nachhaltig unterdrückt.
    Dennoch hatte dieses streng gehütete Geheimnis seinen Ursprung gar nicht in der auf-Getag-Sippe. Vielmehr war es der Sippe zusammen mit ganz anderen praktischen Verbesserungsvorschlägen von einem LegaCen-Beraterstab unterbreitet worden. Die auf-Getags waren von der Raffiniertheit der Idee begeistert gewesen und hatten sie, ermutigt vom wasserdichten Vertrag, der LegaCen zur strikten Vertraulichkeit verpflichtete, unverzüglich angenommen. Nachdem mehrere Jahrzehnte vergangen waren, hatten sie schlichtweg vergessen, dass das Geheimnis außerhalb ihrer Sippe ausgeheckt worden war.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Creek.
    »Als müsste ich mich übergeben«, antwortete Robin.
    »Dort ist ein Becken«, sagte Creek und zeigte auf den Altar, in den ein Abfluss für Robins Blut eingelassen war.
    »Führe mich nicht in Versuchung! Außerdem tut das verdammt weh.« Robin hob ihr Handgelenk, in das man eine Kanüle eingesetzt hatte. Während der Zeremonie würde zum entsprechenden Zeitpunkt die Kanüle geöffnet werden, worauf etwa fünfzig Milliliter von Robins Blut durch die Rinne im Altar abfließen würden.
    »Ich kann dir garantieren, dass es weniger schmerzhaft als die Alternative ist«, versicherte Creek.
    »Das kommt mir alles so unwirklich vor, Harry. Ich würde jetzt gern in meinem beschissenen kleinen Bett in meiner beschissenen kleinen Wohnung aufwachen, mir dann ein beschissenes kleines Frühstück machen und dann beschissene kleine Nagetierkäfige ausmisten.«
    »Bald, Robin«, sagte Creek. »Hast du dir alles gemerkt, was du tun sollst?«
    »Ja.« Robin hob erneut das Handgelenk mit der Kanüle. »Manche Teile sind schwieriger zu vergessen als andere.«
    »Du wirst es schon schaffen. Denk dran, dass ich die ganze Zeit in der ersten Reihe des Publikums stehe.«
    »Wo wird Takk sein?«, fragte Robin. Während der Reise nach Nidu hatte sie sich immer mehr mit dem Nagch angefreundet.
    »Bei mir«, sagte Creek.
    Robin gluckste. »Das ist schlecht für alle, die hinter ihm stehen müssen.«
    Dann wurden die Türen am Ende der Halle geöffnet, und das Publikum strömte herein.
    »Es geht los«, sagte Creek und wandte sich wieder Robin zu. »Sei stark. Schon bald wird alles vorbei sein.«
    Robin ging zu Creek und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank, Harry. Für alles. Und egal, was ich irgendwann gesagt habe, ich bereue es kein bisschen, dass wir uns begegnet sind.«
    »Danke«, sagte Creek.
    »Trotzdem würde ich vorschlagen, dass wir bei unserem nächsten Date einfach nur ins Kino gehen.« Sie kehrte zum Altar zurück. Creek tauchte in der Menge unter und suchte Ben Javna und Jim Heffer.
    Sie hielten sich ziemlich weit hinten auf. Javna kam auf Creek zu und drückte zur Begrüßung seinen Arm. Creek zuckte zusammen.
    »’tschuldigung, Harry«, sagte Javna. »Aber es tut verdammt gut, dich lebend zu sehen. Obwohl du, ehrlich gesagt, keinen übermäßig lebendigen Eindruck machst.«
    »Danke, Ben. Trotzdem fühlt es sich gut an, mehr oder weniger am Leben zu sein.« Creek blickte zu Heffer, der neben Javna trat.

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