Androidenträume
Menschen. Gemäß den Bestimmungen des uralten Wartungsvertrags standen zwei Vertreter von LegaCen bereit, um die Arbeit des Computernetzwerks zu überwachen und die Projektoren zu bedienen, die während der Zeremonie bestimmte Bilder zeigen sollten. Überall schwirrten niduanische Funktionäre herum, bereiteten alles für die Zeremonie vor und beachteten die Menschen nicht weiter, wie man es von Nidu im bedeutendsten Gebäude des ganzen Planeten erwarten würde. Neben dem Altar ging ein Nidu-Priester auf und ab und schien stumm seinen Auftritt zu proben. Und er schien sich alle Mühe zu geben, sich nicht darüber aufzuregen, dass diesmal eine Menschenfrau das Opfer sein sollte. Und dass es ihm nicht gestattet war, sie vollständig zu opfern.
In wenigen Minuten würden die gewaltigen Türen am Ende der Halle aufschwingen, damit die Gäste und offiziellen Beobachter der Zeremonie eintreten konnten. Unter ihnen befanden sich hochrangige Regierungsangehörige von über zweihundert Welten, nicht ganz so hochrangige von den übrigen Welten und ein Vertreter der GK von recht niedrigem Rang – worin sich sehr genau der allgemeine Status der Nidu in der Weltenhierarchie der GK widerspiegelte.
Hinsichtlich des Status hätte eigentlich Präsident Webster als Vertreter der Erde an der Zeremonie teilnehmen müssen. Unpassenderweise kollidierte der Termin jedoch mit einem lange geplanten Staatsbesuch durch die Präsidentin von Vhrugy, einer der bedeutenderen Welten in der GK. Also stand Webster nicht zur Verfügung. Unter diesen Umständen war Außenminister Heffer ein angemessener Ersatz. Die sich verschlechternden Beziehungen zwischen der Erde und Nidu hatten die Präsidentin von Vhrugy jedoch veranlasst, ihren Besuch abzusagen. Theoretisch hätte der irdische Präsident nun doch an der Zeremonie teilnehmen können. Praktisch hingegen blickte sein Planet in die Kanonenrohre zweier Schlachtschiffe. Also wäre es auch in dieser Hinsicht keine gute Entscheidung gewesen, sich nach Nidu zu begeben.
Kurz nachdem sich die Gäste versammelt hatten, würde Narf-win-Getag die Große Halle betreten, das Podium besteigen und mehrere allgemeine Rituale durchführen, die seinen Anspruch auf den niduanischen Thron bekräftigten. Diese einleitenden Rituale waren für den Thronfolger nicht streng vorgeschrieben, aber sie entsprachen der Tradition, und in gewisser Weise machten sie die Zeremonie überhaupt erst rund.
Nach diesen Vorbereitungen kam der obligatorische Teil, der von den auf-Getags festgelegt worden war, als die Sippe erstmals den Thron bestiegen hatte. Viele frühere Dynastien hatten ihre Krönungszeremonien mit so vielen Handlungen und Einzelheiten überfrachtet, dass die Kandidaten ständig Gefahr liefen, durch eine winzige Unaufmerksamkeit sich selbst und ihre gesamte Sippe zu disqualifizieren und zu diskreditieren, worauf die niduanische Gesellschaft – wieder einmal – in einen blutigen Bürgerkrieg gestürzt worden wäre.
Im Gegensatz zu diesen anderen Sippen hatten sich die auf-Getags dafür entschieden, die Pflichtrituale möglichst einfach zu gestalten: ein Gehirnscan des Opferschafs und das anschließende Blutopfer, gefolgt von zwei Fragen, die durch das niduanische Computernetzwerk gestellt wurden: »Welche Sippe bringt das Opfer dar?« und »Was wünscht die opfernde Sippe?« Die erwarteten Antworten auf diese Frage lauteten natürlich: »Die auf-Getag-Sippe« und »Die Kontrolle über das Computernetzwerk«.
Die auf-Getags waren mit dieser abgekürzten Zeremonie rundum zufrieden, weil es dabei um das Computernetzwerk und die Schafe ging. Wer das Computernetzwerk kontrollierte, herrschte automatisch über ganz Nidu. Mehr musste dazu nicht gesagt werden. Sobald jemand diese totale Macht errungen hatte, war es schwierig, sich gegen ihn durchzusetzen. Und hinsichtlich der Schafe konnte das Computernetzwerk sehr schnell die genetische Zusammensetzung des Blutopfers bestimmen, um zu gewährleisten, dass es der Züchtung Androidentraum entstammte. Der Gehirnscan sollte bestätigen, dass das Tier am Leben war, und seine mentalen Fähigkeiten messen.
Der letzte Punkt war von entscheidender Bedeutung: Streng genommen verlangte das Ritual, dass diese Fragen dem Opfertier gestellt wurden, doch falls dieses dazu nicht in der Lage war (was immer der Fall war), durften die Fragen von einem Angehörigen der Sippe beantwortet werden, der sich als rechtmäßiger Besitzer des Opfertieres ausweisen konnte.
Damit konnten die
Weitere Kostenlose Bücher