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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Sjöberg
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offensichtlich auch organischer Natur. Es hatte gebrannt und geschwelt und sich rußflockig aufgelöst. Nein, wenn die Tantaliden gewollt hätten… Also hatten sie vielleicht nicht gewollt? Aber warum? Warum denn nur? Warum dies alles? Das hier war ihre Stadt – daran gab es keinen Zweifel, wenn auch ihr Zustand trostlos war. Dieses weiße Baumaterial, aus dem die Häuser errichtet waren, das kannte ich. Das war nicht zu verwechseln. Das alles hier war ihr Werk, und nicht umsonst konnte mein Flug hierher geführt haben. Demnach hatten sie es wirklich nicht gewollt und lieber ihre drei Roboter geopfert, als jene übelriechende und nun auch noch entsetzliche Klagelaute ausstoßende Flut hinwegzubrennen. Dennoch stimmte irgend etwas nicht. Diese zerfallenden Häuser, dieser blasenwerfende Brei da unten – in einem solchen Zustand und mit einer solchen Nachbarschaft konnte kein vernünftiges Wesen leben, und die Tantaliden wohl schon gar nicht, ganz gewiß nicht.
    Ich kam auf meinen furchtbaren Gedanken von vorhin zurück: Vielleicht ist es wie mit jenem Bergwerk auf Tantalus? Verlassen, aufgegeben und nur noch nach einem einmal eingespeicherten Programm sinnlos vor sich hin funktionierend? Weshalb hatten sie mich dann wirklich hierhergebracht? Dann hätten sie mich lieber dort lassen sollen, unter dem ungeheuren Glanz der Spica.
    Ich starrte das Lager an, auf dem ich geruht hatte, ich starrte die Wand an, die meine Terrasse nach hinten zu begrenzte. Ja, sie war glatt und fugenlos und ohne jegliche Öffnung. Ich trat an sie heran und lehnte die Stirn in unendlicher Ratlosigkeit gegen das weiße, mir so sehr vertraute Material des Gebäudes.
    Und da geschah es: In der Wand begann ein Viereck, übermannshoch, sanft aufzuleuchten. Ein friedliches, weißes Licht war das, und in diesem Licht trat ich mir selber entgegen.
    Zunächst vermeinte ich, es sei mein Spiegelbild. Es war aber kein Spiegelbild. Der Jorge Stenström, dem ich dort gegenüberstand, trug nicht mehr die Landekombination von Tantalus. Er trug ein togaähnliches Gewand, wie ich es an den schlafenden Tantaliden gesehen hatte. Er besaß auch keinen Bart und kein langwallendes Haupthaar. Er war vielmehr glattrasiert und trug das Haar auf Römerart nach vorn gekämmt und kurz geschnitten. Er war ich und dennoch ein anderer.
    Dann stürzte sich etwas mit unfaßlicher Gewalt über mich, zog und zerrte an mir, und ich sah mein eigenes Fleisch dahinschmelzen ins Nichts.
    „Nein!“ schrie ich. „Nein!“ Und dann starb ich.

II
    Ich trat durch die durchlässig gewordene Wand hinaus auf die Terrasse, hin vor meinen entseelten Körper. Es mußte wohl eine Täuschung gewesen sein, entsprungen der Todesfurcht, als ich soeben noch geglaubt hatte, er würde sich auflösen und dahinschwinden wie Schnee an der Sonne. Ich fürchtete, wahnsinnig zu werden oder es schon zu sein. Dort lag ich, und hier stand ich. Wer war ich, und wer war ich nicht? Ich beugte mich zu mir hinunter und schaute mich entsetzten Auges an. Der dort war wirklich tot, aber der dort war ich oder war es zumindest bis vor wenigen Sekunden noch gewesen.
    Ich hob meine Hand, die schon deutlich auszukühlen begann, vom Boden auf und musterte jenen kleinen Kratzer, den ich mir auf Tantalus zugezogen hatte. An meiner neuen Hand war kein solcher Kratzer zu sehen. Sonst aber war es genau die gleiche Hand. Ich betrachtete den deutlich erkennbaren Aderverlauf auf ihren Außenseiten und die feinen, unverwechselbaren Linien und Fältchen ihrer Innenseiten. Beide waren absolut identisch. Beides waren meine Hände.
    Ich brach vollends in die Knie und warf mich über mich. So lag ich lange und versuchte den tosenden Aufruhr in mir wieder unter Kontrolle zu bekommen. Unfaßliches war geschehen, etwas, das noch keinem Menschen vor mir widerfahren war. Am Ergebnis aber gab es nichts zu deuteln: Mein Bewußtsein war von meinem alten Körper auf einen neuen übergegangen, der jenem so sehr glich, daß ich selbst sie wohl kaum auseinanderzuhalten vermocht hätte, wenn da eben nicht solche Kleinigkeiten gewesen wären wie jener Kratzer, die veränderte Kleidung und die abweichende Frisur. Ich war gestorben und im gleichen Augenblick wiederauferstanden.
    Während ich mich langsam beruhigte, fühlte ich mein neues Herz stark und regelmäßig schlagen, ich atmete kraftvoll und tief. Alles war, wie es vorher gewesen, und dennoch ganz anders. Ich fühlte mich nicht mehr müde und erschöpft, und auch die Kühle der Nacht

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