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Ange Pitou, Band 1

Titel: Ange Pitou, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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nachher ist er auf der andern Seite des Grabens und hat das Billet, das man ihm an der Degenspitze reicht.
    Mit derselben Ruhe, mit derselben Festigkeit des Ganges kehrt er über das Brett zurück.
    Doch in dem Augenblick, wo alle Welt sich um ihn drängt, um zu lesen, stürmt ein Hagel von Kugeln von den Zinnen herab, während man zugleich einen entsetzlichen Donner des Geschützes vernimmt.
    Ein einziger Schrei, doch einer von den Schreien, welche die Rache des Volkes verkündigen, dringt aus der Brust aller hervor.
    Traut den Tyrannen! ruft Gonchon.
    Und ohne sich mehr mit der Kapitulation zu beschäftigen, ohne sich um das Pulver zu bekümmern, ohne an sich, ohne an die Gefangenen zu denken, ohne auf etwas anderes, als auf Rache zu sinnen, zu wünschen, zu verlangen, stürzt das Volk in die Höfe, nicht mehr zu Hunderten, sondern zu Tausenden.
    Was das Volk einzudringen verhindert, ist nicht das Musketenfeuer: es sind die zu engen Thore.
    Bei diesem Donner des Geschützes weisen sich die zwei Soldaten, die ihn nicht verlassen haben, auf Herrn de Launay, ein dritter bemächtigt sich der Lunte und zertritt sie unter seinem Fuß.
    De Launay zieht seinen in seinem Stocke verborgenen Degen und will sich damit erstechen; man zerbricht den Degen zwischen seinen Händen.
    Er begreift nun, daß er nichts anderes mehr zu thun hat, als zu warten, und er wartet.
    Das Volk rückt heran, die Garnison reicht ihm die Hände, und die Bastille ist im Sturm, mit Gewalt, ohne Kapitulation genommen.
    Seit hundert Jahren ist es nicht mehr die träge Materie, die man in die königliche Feste einschließt, es ist der Geist. Der Geist hat die Bastille gesprengt, und das Volk ist durch die Bresche eingedrungen.
    Was das Schießen mitten unter dem allgemeinen Schweigen, während des Waffenstillstandes, betrifft, was diesen, unvorhergesehenen, unpolitischen, tödlichen Angriff betrifft, niemand hat je erfahren, wer den Befehl dazu gegeben, wer ihn angeregt, vollbracht.
    Es giebt Augenblicke, wo die Zukunft einer ganzen Nation in der Wage des Schicksals gewogen wird. Eine von den Schalen gewinnt die Oberhand. Schon glaubt jeder das vorgesetzte Ziel erreicht zu haben. Plötzlich läßt eine unsichtbare Hand die Klinge eines Dolches oder die Kugel einer Pistole in die andere Schale fallen. Da verändert sich alles, und man hört nur noch einen einzigen Schrei: Wehe dem Besiegten!

Der Doktor Gilbert.
    Während das Volk, brüllend zugleich vor Freude und vor Wut, in die Höfe der Bastille stürmt, plätschern zwei Menschen im schlammigen Wasser der Gräben.
    Diese zwei Menschen sind Billot und Pitou.
    Pitou unterstützt Billot; keine Kugel hat ihn getroffen, kein Schuß hat ihn erreicht, doch sein Sturz hat den guten Pächter ein wenig betäubt.
    Man wirft ihnen Stricke zu, man reicht ihnen Stangen.
    Pitou erwischt eine Stange, Billot einen Strick.
    Nach fünf Minuten werden sie im Triumph umhergetragen und umarmt, so kotig sie auch sind.
    Der eine giebt Billot einen Schluck Branntwein, der andere stopft Pitou mit Wurst und gießt Wein darauf.
    Ein dritter reibt sie ab und führt sie in die Sonne.
    Plötzlich durchzuckt ein Gedanke, oder vielmehr eine Erinnerungden Geist von Billot; er entreißt sich der geschäftigen Sorge der Teilnehmenden und eilt gegen die Bastille zu.
    Zu den Gefangenen! ruft er im Laufe, zu den Gefangenen!
    Ja, zu den Gefangenen! ruft Pitou, dem Pächter nacheilend.
    Die Menge, die bis dahin nur an die Henker gedacht hatte, bebt im Gedanken an die Opfer.
    Sie wiederholt mit einem Schrei: Ja, ja, zu den Gefangenen!
    Und ein neuer Strom von Angreifenden durchbricht die Dämme und scheint die Seiten der Festung zu erweitern, um die Freiheit hineinzutragen.
    Ein entsetzliches Schauspiel bot sich nun den Augen von Billot und Pitou. Trunken, wütend, rasend, war die Menge in die Höfe gestürzt. Den ersten Soldaten, der ihr in die Hände gefallen, hatte sie in Stücke gehauen.
    Gonchon ließ sie gewähren. Ohne Zweifel dachte er, der Zorn des Volkes sei wie der Strom der großen Flüsse, er richte mehr Unheil an, wenn man ihn aufzuhalten suche, als wenn man ihn ruhig sich verlaufen lasse.
    Elie und Hullin dagegen hatten sich den Schlächtern entgegengeworfen: sie baten, sie flehten, sie sagten – eine großmütig erhabene Lüge – sie hatten der Garnison die Erhaltung ihres Lebens versprochen.
    Die Ankunft von Billot und Pitou war eine Verstärkung für sie.
    Billot, den man rächen wollte, Billot lebte; Billot war nicht

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