Ange Pitou, Band 3
ein andres Mittel an, das sie nach ihrer Meinung zu demselben Ziele führen mußte.
Sie fing wieder an, Andree gut zu behandeln. Sie ließ sie bei allen ihren Promenaden, bei allen ihren vertrauten Abendgesellschaften zu; sie überhäufte sie mit Liebkosungen; sie machte, daß sie von allen andern Frauen beneidet wurde.
Und Andree ließ dies alles gewähren, wohl mit Staunen, aber ohne Dankbarkeit. Sie hatte sich seit langer Zeit gesagt, sie gehöre der Königin, die Königin könne mit ihr machen, was sie wolle, und ließ sie machen.
Als Entschädigung, da die Gereiztheit der Frau gegen irgend jemand einen Ausbruch nehmen mußte, fing die Königin an, Charny sehr zu mißhandeln. Sie sprach nicht mehr mit ihm; sie fuhr ihn an; sie gab sich den Anschein, als brächte sie Abende, Tage, Wochen hin, ohne nur zu bemerken, daß er anwesend war.
Sobald er aber abwesend war, schwoll ihr Herz an; ihre Augen irrten unruhig umher und suchten denjenigen, von welchem sie sich abwandten. Bedurfte sie eines Arms, hatte sie einen Befehl zu geben, hatte sie ein Lächeln zu verschenken, so war es für den ersten besten. Dieser ermangelte übrigens nie, ein schöner und ausgezeichneter Mann zu sein.
Die Königin glaubte sich von ihrer Wunde zu heilen, indem sie Charny verwundete.
Dieser litt und schwieg. Er war ein mächtiger Mann gegen sich selbst. Nicht eine Bewegung des Zornes oder der Ungeduld entschlüpfte ihm während dieser gräßlichen Marter.
Man sah dann ein seltsames Schauspiel, ein Schauspiel, das nur die Frauen zu geben und zu begreifen vermögen.
Andree fühlte alles, was ihr Gatte litt, und da sie ihn mit jener engelhaften Liebe liebte, die nie eine Hoffnung gefaßt hatte, so beklagte sie ihn und bezeigte es ihm.
Aus diesem Mitleid ging eine sanfte, teilnehmende Annäherung hervor. Sie suchte Charny zu trösten, ohne ihn merken zu lassen, daß Sie es wisse, er bedürfe des Trostes.
Marie Antoinette, die zu teilen suchte, um zu herrschen, bemerkte, daß sie einen falschen Weg eingeschlagen habe, und daß sie, ohne es zu wollen, Seelen einander näher brachte, die sie gern durch ganz verschiedene Mittel getrennt hätte.
Sie, die beklagenswerte Frau, erlitt dann in der Stille und in der Einsamkeit der Nächte Verzweiflungsanfälle, und sie würde sicherlich so vielen Leiden unterlegen sein, wäre sie nicht so gewaltig von den Besorgnissen ihrer Politik in Anspruch genommen worden.
Dies waren die Umstände, in denen die Königin seit der Rückkehr des Königs nach Versailles bis zum Tage lebte, wo sie im Ernste darauf bedacht war, die unumschränkte Ausübung ihrer Gewalt wieder aufzunehmen.
In ihrem Stolze schrieb sie nämlich dem Verfalle ihrer Macht die Entwertung zu, welche die Frau seit einiger Zeit zu erleiden schien.
Für diesen thätigen Geist war denken soviel als handeln. Sie ging ans Werk, ohne einen Augenblick zu verlieren.
Aber, ach! dieses Werk, zu dem sie nun schritt, war das ihres Verderbens.
Das Regiment Flandern.
Als die Königin sah, daß sich die Pariser in Militäre verwandelthatten und Krieg führen zu wollen schienen, beschloß sie, ihnen zu zeigen, was ein wahrer Krieg sei.
Bis jetzt haben sie es nur mit den Invaliden der Bastille, mit schlecht unterstützten und schwankenden Schweizern zu thun gehabt; man wird ihnen zeigen, wie es mit ein paar tüchtigen, gut royalistischen und gut exerzierten Regimentern ist.
Vielleicht finden sich unter den Regimentern noch welche, die schon Aufstände niedergeschlagen und in den Ausbrüchen des Bürgerkriegs Blut vergossen haben. Man wird eines von diesen Regimentern kommen lassen, das bekannteste. Die Pariser werden dann begreifen, daß sie abzustehen haben, und das wird die einzige Zuflucht sein, die man ihnen für ihr Heil läßt.
Das war der Plan, nachdem die Nationalversammlung lange für sich, und der König für sein Veto gestritten. Der König hat zwei Monate lang gekämpft, um wieder einen Fetzen Souveränität zu erwischen; er hatte, in Verbindung mit dem Minister Mirabeau, die republikanische Begeisterung, die das Königtum in Frankreich vertilgen wollte, zu neutralisieren gesucht.
Die Königin hatte sich bei diesem Kampfe abgenutzt, abgenutzt besonders, weil sie den König unterliegen sah.
Der König hatte bei diesem Streite seine ganze Macht und den Rest seiner Popularität verloren. Die Königin hatte einen neuen Beinamen, einen Spottnamen gewonnen, man hieß sie Madame Veto .
Dieser Name, auf dem Flügel der revolutionären
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