Angel 01 - Die Engel
Vergleich zu den meisten war er ein Engel. Falsch war falsch. Man nahm kein Schmiergeld an, auch keine kostenlosen Mahlzeiten, und man beschädigte kein öffentliches Eigentum. Und ein Polizeifahrzeug war öffentliches Eigentum.
» Was? Was machen?«, rief Danny, auch wenn er genau wusste, was Dave auf die Nerven ging. Wenn man Kaffee aus einem Automaten zog, blieb immer ein Rest Pulver am Rand hängen, und den leckte Danny gerne ab.
Dave ignorierte ihn und beobachtete weiter den Typen, der am Eingang der Spielhalle stand. Er bohrte sich mit einem Streichholz in den Zähnen rum und führte in regelmäßigen Abständen mit demselben stumpfen Gegenstand chirurgische Eingriffe an seinem Hörorgan durch, wobei er sich von dem bitteren Geschmack nach Ohrenschmalz offenbar nicht abhalten ließ.
Dave ließ seinen Blick von dem widerlichen Kerl zu den noch immer qualmenden Ruinen wandern, die zwei Blocks weiter standen. Bei diesem Brand waren sieben Geschäfte und einundachtzig Wohnungen in Flammen aufgegangen. Es erstaunte Dave immer wieder, dass die Flamme eines einzigen Streichholzes so großen Schaden anrichten und so viele Leben kosten konnte. Überall in der Stadt klafften verrußte Löcher in der Szenerie, die in einer Stadt wie San Francisco mit ihren großen Höhenunterschieden oft weithin sichtbar waren. Manche dieser Löcher waren riesig, andere umfassten nur einzelne Gebäude. Obwohl sie nicht alle von Streichhölzern hervorgerufen wurden. Benzin, Brandbeschleuniger, Öl – es schien, als sei jede brennbare Substanz, die dem Menschen bekannt war, bei der einen oder anderen Gelegenheit benutzt worden.
Die Einwohner von San Francisco waren besonders vorsichtig, wenn es um Feuer ging: Das Feuer, das nach dem Erdbeben von 1906 drei Tage lang gewütet hatte, hatte fast die gesamte Innenstadt zerstört. Nur Dynamit konnte sie vor der völligen Auslöschung retten. In letzter Zeit war ebenfalls Sprengstoff eingesetzt worden, um Feuerschneisen zwischen die dicht beieinanderstehenden Häuser zu sprengen. Bei dem Feuer in Noe Valley, das jetzt einige Wochen zurücklag, hatte man mehrere Pfund Plastiksprengstoff gebraucht, um es an einer weiteren Ausbreitung zu hindern. Hauseigentümer sehen es nicht sonderlich gerne, wenn ihre perfekten Heime zu Kleinholz verarbeitet werden, und momentan hagelte es Klagen auf die Köpfe der Stadtväter.
Danny Spitz knurrte plötzlich wie ein Terrier, biss mit einem Krachen ein Stück aus seinem Plastikbecher, spuckte es aus dem Fenster und sah seinen Partner herausfordernd an. Dave ignorierte ihn weiter, da er wusste, dass Danny nur langweilig war und er versuchte, irgendeine Reaktion zu provozieren. Danny war in vielerlei Hinsicht wie ein Kind, auch wenn er im Juli achtundzwanzig werden würde. Ganz anders als ein Kind hatte er verfrüht eine Halbglatze bekommen, und zusammen mit seinem runden Gesicht verlieh sie ihm das Aussehen eines Mönchs. Die Jungs auf der Wache nannten ihn Bruder Tuck, auch wenn sie ihm das nie ins Gesicht sagten, da er das Temperament einer liebeskranken Hexe hatte. Manche Cops hatten zwei Spitznamen: einen, der offen benutzt wurde, und einen zweiten, der nur genannt wurde, wenn der Betroffene nicht dabei war. Der offizielle Spitzname von Danny und Dave war » D&D «. Unter der Hand waren sie Bruder Tuck und Mutter Teresa.
Der Typ, den sie überwachten – Caspar Greenaway, ein bärtiger Weißer in Ledermantel und Jeans –, richtete sich plötzlich auf. Er nahm in seinen abgetragenen Turnschuhen fast schon Haltung an, als ein Ford am Bordstein hielt. Greenaway schnipste sein Streichholz weg und beugte sich vor. Es wurden ein paar Worte gewechselt, und eine verstohlene Bewegung folgte.
» Das war’s«, sagte Danny, » er hat das Zeug genommen. Schnappen wir uns das Arschloch. Du nimmst den Dealer im Auto, ich greife mir Greeny.«
» Alles klar«, knurrte Dave. Er trat aufs Gas und ließ das Auto über die Straße schlittern, bis es quer vor dem großen Ford stand. Die beiden Cops sprangen raus, woraufhin Greenaway sofort losrannte, in südlicher Richtung die Straße runter. Danny verfolgte ihn, während Dave zum Seitenfenster des Wagens ging, die Hand an der noch nicht gezogenen Pistole.
» Dürfte ich bitte Ihren Führerschein sehen, Sir?«
» Leck mich«, schrie der Fahrer, ein junger Schwarzer.
Der Mann versuchte, den Ford zurückzusetzen, und knallte dabei direkt in ein anderes Auto, das hinter ihm am Straßenrand gehalten hatte. Er geriet in
Weitere Kostenlose Bücher