Angel 01 - Die Engel
er in Stratford-upon-Avon eine Aufführung von Macbeth gesehen, und die bedrückende Wirkung des Stücks hatte ihn noch nicht ganz losgelassen.
Ein schmerzhafter Krampf schnitt in seinen Unterleib.
Während der Schweiß sein Hemd durchtränkte, sickerten unangenehme Gedanken in sein Bewusstsein. Dunkle, schreckliche Gedanken. Gedanken an Tod, Vergewaltigung und Geburt. Mit zunehmendem Entsetzen fragte er sich, wie lang es wohl dauerte, ein Höllenwesen auszutragen. Würde er jetzt irgendeiner grauenhaften Kreatur widernatürliches Leben schenken, hier, in seinem Auto? Sollte er sich vorbereiten? Sollte er das Radkreuz aus dem Kofferraum holen und sich bereithalten, um ihm den Schädel einzuschlagen?
Feuer. Würde er heiliges Feuer brauchen, um die Kreatur zu vernichten? Oder würde er vielleicht – oh, Gott bewahre – nicht anders können und das Ding lieben, da es sein Nachwuchs war? Würde er unfähig sein, sich davon abzuhalten, etwas zu lieben, das teilweise von ihm stammte?
Donner rollte über den unheilschwangeren Himmel und ließ Lloyd ängstlich zusammenzucken.
Jemand klopfte an sein Seitenfenster.
Lloyd kurbelte es herunter und sah eine Frau in Regenjacke und Fellmütze, die zu ihm hereinstarrte. Neben ihren grünen Gummistiefeln saß ein Golden Retriever.
» Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte sie fast schon streng. » Sie sehen etwas blass aus.«
» Nein, nein, keineswegs«, keuchte Lloyd. » Ich fühle mich schrecklich.«
Sie starrte ihn weiter prüfend an. » Was haben Sie denn gegessen?«, fragte sie schließlich. » Sie haben diesen grauen Hautton, den mein Mann immer kriegt, wenn er verdorbenes Curry gegessen hat.«
Da fiel es Lloyd plötzlich ein: Austern. Er hatte um drei Uhr morgens auf Simons Hausboot Austern gegessen. Erleichterung erfüllte ihn. Er würde doch kein Höllenwesen gebären. Er hatte einfach nur eine Lebensmittelvergiftung.
» Ich glaube, Sie haben Recht. Ich habe etwas Verdorbenes gegessen.«
» Wenn ich Sie wäre, würde ich es auskotzen«, riet ihm die Frau forsch. » Werden Sie den Dreck sofort los.«
» Vielen Dank, das werde ich, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, wäre ich dabei gerne allein.«
» Ganz wie Sie wollen«, erwiderte sie steif und zog an der Leine des Golden Retrievers. » Am besten in den Graben, würde ich sagen.«
Damit verließ sie den unglücklichen Erzdiakon und ging schnell über die immer dunkler werdende Landstraße davon, bis sie schließlich zwischen grünen Hecken und Feldern voller Eichen und Blutbuchen verschwand. Lloyd blieb einfach sitzen und ließ den Schmerz in unregelmäßigen Schüben durch seinen Bauch jagen. Er wollte sich jetzt nicht bewegen.
Wenige Sekunden später öffneten sich die Himmelsschleusen und Regen prasselte auf das Dach des Wagens. Wieder krachte der Donner und erschütterte die Cotswolds. Ein greller Blitz folgte und spaltete das Wäldchen auf dem nächsten Hügel. Sofort war die Welt von Licht erfüllt.
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