Angel City Love (German Edition)
zu öffnen und zu fokussieren.
Dann sah sie die Flügel. Die Regentropfen schlugen auf ihnen auf und perlten sofort ab, wobei die leicht schimmernden Schwingen trocken blieben. Was auch immer sie für eine Halluzination hatte, sie war zweifellos äußerst lebendig. Dann betäubte die Kälte sie und wieder wurde alles schwarz um sie herum.
Als Maddy die Augen das nächste Mal aufschlug, saß sie mit dem Rücken an eine Betonwand gelehnt. Es regnete, und sie lauschte dem steten Plätschern der Tropfen, die auf eine Markise über ihrem Kopf fielen. Nicht ganz zehn Schritte von ihr entfernt endete der Untergrund, dahinter funkelten die Lichter von Angel City in der feuchtkalten Nacht. Sie musste sich auf dem Dach eines hohen Gebäudes befinden. Als sie aufblickte, sah sie über ihr die hell erleuchteten Worte DIVINE RECORDS auf einem riesigen gebogenen Schild. Darüber ragte eine weiße Spitze etwa hundert Meter hoch in die Luft.
Maddy versuchte sich aufzurichten, und erst da bemerkte sie die Arme, die sie fest umschlungen hielten. Sie waren so heiß, dass sie sich fast daran versengte. Sie drehte sich um, und ihr Blick folgte den Konturen eines schönen Gesichts, über das Tropfen perlten. Sie sah in blassblaue Augen.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Jackson.
Es war nicht möglich. Hier saß er bei ihr, durchnässt und bedeckt von den Überresten einer weißen Robe, die ihm in Fetzen am Körper hing. Vielleicht war ihr Bewusstsein ja dem Tod entwischt, und jetzt befand sie sich in einem Zwischenreich der Fantasie? Sie war überzeugt davon, dass das nicht die Realität sein konnte, und doch konnte sie die intensive Hitze seiner Umarmung spüren. Sie fühlte, wie seine Brust sich hob und senkte. Doch am überwältigendsten war seine Präsenz. Sie war ihr inzwischen so vertraut wie der Geruch einer Person, der man sehr nahe steht. Er war es ohne jeden Zweifel.
Maddy registrierte, wie der Engel sie eindringlich ansah, darauf wartete, dass sie etwas sagte.
»Wie?«, fragte Maddy krächzend.
»Ich hab gefragt, wie fühlst du dich?«
»Ich … verletzt«, sagte Maddy. Erst als sie es aussprach, wurde sie sich dessen bewusst.
»Ich weiß, tut mir leid«, sagte Jackson bedrückt. »Ich hatte nicht viel Zeit und es gab keine andere Möglichkeit. Du bist ziemlich hart aufgeprallt.«
»Was … tue ich hier?«, sagte sie schwach. »Was … ist geschehen?«
»Du wärst beinahe in einen schweren Unfall verwickelt worden. Doch jetzt bist du in Sicherheit.«
»Ein … Unfall?« Die Erinnerungen stürmten auf sie ein. Einige Sekunden lang stieg Panik in ihr auf.
»Es war plötzlich da und ist direkt auf mich zugekommen!«, sagte sie verängstigt. »Es ging alles so schnell … ich wollte noch aus dem Weg gehen …«
»Du hättest es nicht geschafft«, sprach Jackson ruhig. »Es hätte dich zerquetscht.«
Maddy spürte, wie das Adrenalin durch ihren Körper rauschte. Todesangst umfing sie. Er hatte recht. Sie wusste, dass sie hätte sterben sollen. Sie hatte es vorhergesehen. Sie hatte die Augen geschlossen und auf den Aufprall gewartet, darauf, dass die Kühlerhaube des Rovers sich in ihren Körper bohrte. Stattdessen war sie zur Seite gestoßen worden und so entkommen. Oder sie war vielmehr zur Seite gezogen worden, wie ihr jetzt klar wurde. Sie spürte, wie sich der Schmerz in ihrer Schulter meldete. Das musste er gewesen sein, der da über ihr gestanden hatte, um sie zu beschützen. Er war der Grund, weshalb sie noch am Leben war.
»Was hast du getan?«, hörte er ihr verzweifeltes Flüstern.
Jackson wich ihrem Blick aus und sah zu den aufwallenden Sturmwolken hinauf.
»Ich habe gegen das Gesetz verstoßen.«
»Du hast was?«, fragte sie mit erstickter Stimme. »Warum?« Irgendwo in der Ferne zuckte ein Blitz wie ein leuchtendes Band über den Himmel.
»Für dich«, knurrte Jackson.
Maddy wurde schwindelig. Hatte Jackson Godspeed sie vor dem sicheren Tod bewahrt? Und das nach allem, was er auf der Party zu ihr gesagt hatte? Nachdem er sie so verletzt hatte? Sie erniedrigt und beleidigt hatte? Jäher, unkontrollierbarer Ärger wallte in ihr auf, aber diesmal war es weit schlimmer als auf der Party, denn wenn er ihr wirklich das Leben gerettet hatte, dann war sie ihm nun etwas schuldig . Nach allem, was er gesagt und getan hatte, würde sie ihm jetzt auch noch dankbar sein müssen?
»Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich von mir fernhalten«, sagte sie schneidend. »Welchen Teil von ›in Frieden lassen‹ hast
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