Angel City Love (German Edition)

noch vereinzelt durch die Straßen zogen. Mit etwas Glück würde er heute Nacht nicht verscheucht werden. Betrunken lehnte er sich gegen die Tür und beobachtete die glitzernden Lichter von Angel City, die um ihn herumtanzten. Er lächelte. Wenn man schon obdachlos war, dann am besten in der ruhmreichen Stadt der Engel – das war jedenfalls seine Überzeugung. Er schloss die Augen, und ehe er sichs versah, war er auch schon eingeschlafen.
    Als er wieder erwachte, war er sich nicht sicher, wie lange er weg gewesen war, aber die Souvenirläden waren immer noch geschlossen und der Boulevard lag fast schon unheimlich still da. Außergewöhnlich still. Selbst mitten in der Nacht konnte man normalerweise die Vögel in den Bäumen hören oder auch gelegentlich einen streunenden Hund auf der Suche nach etwas zu fressen. Heute Nacht allerdings schien es kein einziges Geräusch zu geben. Nichts schien sich zu rühren, abgesehen von den Palmblättern, die in der kühlen Brise zitterten. Der Mann richtete sich auf und sah sich blinzelnd um.
    Irgendetwas stimmte nicht.
    Er war immer noch vom Alkohol benebelt, so viel stand fest, aber das legte sich bereits. Dass er den ersten Anflug der üblichen Kopfschmerzen verspürte, sprach dafür, dass die Wirkung nachließ. Die Panik, die ihn überkam, rührte dagegen nicht vom Alkohol her, dessen war er sich sicher. Irgendetwas kam ihm … komisch vor. Er gab sein Bestes, den trüben Blick zu fokussieren, dann sah er sich um.
    Nicht als Dunkelheit um ihn herum. Nichts regte sich. Aber irgendetwas war ganz eindeutig faul. Das sagte ihm weniger sein Bewusstsein als vielmehr sein Instinkt. Während er mit dem Blick die Finsternis zu durchdringen versuchte, fiel ihm mit einem Mal etwas ein, woran er schon seit Jahren nicht mehr gedacht hatte. Eher wohl seit Jahrzehnten. Als Kind hatte er sich immer im Dunkeln gefürchtet. Bestimmt kam es daher, dieses Gefühl. Ein Gefühl, das aus der Dunkelheit selbst zu dringen schien. Die ihn umgebende Nacht war wie durchdrungen von einer wilden, ursprünglichen Präsenz, von einem nagenden, schwitzenden, tierischen Instinkt, fast wie die personifizierte Furcht.
    Dann vernahm er ein Keuchen, und ihm wurde klar, dass er nicht allein war.
    »Hallo?«, rief er nervös.
    Da war jemand. Dort im Dunkeln.
    »Ist da jemand?«
    Es blieb still, doch das Keuchen war weiter zu hören. Tiefe, rasselnde Atemzüge. Mit irrem Blick schaute der Mann sich um.
    Und dann erblickte er es.
    Selbst in seinen trunkensten Momenten hätte er sich nie etwas derart Furchteinflößendes ausmalen können. Er öffnete den Mund und im nächsten Moment war der Boulevard vom Hall seiner verzweifelten Schreie erfüllt.

6

    Maseratis, Lamborghinis und Limousinen blockierten den Boulevard und bildeten vor dem Chateau Marmont Hotel eine lange Schlange. Der Verkehr auf dem glitzernden Sunset Strip war zum Erliegen gekommen. Dutzende von Angestellten taten alles, um das Ganze unter Kontrolle zu halten, indem sie den Verkehr steuerten, Menschenmassen zurückdrängten und die Verteilung der eintreffenden Fahrzeuge koordinierten. Eine Reihe von Scheinwerfern ließ den Empfangsbereich mit dem roten Teppich erstrahlen und auf einer riesigen weißen Leinwand leuchtete wieder und wieder das Logo des Halo -Magazins auf. Außerdem stand ein riesiges Plakat des Halo -Covers, auf dem Jackson Godspeed überlebensgroß mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Dach kauerte, während der Wind mit seinem Haar spielte. Die Schlagzeile lautete: »Heisser Held: Jackson Godspeed bereitet sich auf seinen großen Sprung in ein Dasein als Schutzengel vor .«
    Direkt gegenüber hatte sich eine ganze Armee von Fotografen, Reportern und Journalisten wartend in Stellung gebracht. Jamie Campbell, die Life-and-Style-Korrespondentin für den Sender ANN , stand bereits atemlos vor der Kamera und bereitete die Zuschauer auf das Kommende vor:
    »Wir berichten hier live von der Eröffnungsparty für die Approbationswoche, veranstaltet vom Halo -Magazin. Es handelt sich um eine der begehrtesten Veranstaltungen der Stadt in diesen Tagen, so begehrt, dass man schon munkelt, die Engel würden allesamt in diesem Augenblick den Sunset Boulevard blockieren und darauf warten, endlich eingelassen zu werden. Jackson Godspeed ziert diesen Monat das Halo- Cover, und es geht das Gerücht, dass er jeden Moment hier eintreffen wird!«
    Wie ein Defilee an übernatürlicher Schönheit und Perfektion betraten die Engel nacheinander den roten