Angel City Love (German Edition)
Notfallstation im Park gegangen war. Nach einer Weile hatte sie sich wieder beruhigt. Und behauptet, die Achterbahn habe ihr bloß Angst eingejagt. Selbst in diesem jungen Alter hatte Maddy nicht gewollt, dass er irgendetwas von den seltsamen Dingen wusste, die sie gelegentlich sah. Unter gar keinen Umständen sollte er erfahren, dass es in letzter Zeit sogar immer schlimmer geworden war. Sie hatte ja sowieso schon das Gefühl, anders als die anderen Gleichaltrigen zu sein. Da wollte sie nicht, dass ihr Onkel sie auch noch für verrückt hielt. Sie liebte Kevin heiß und innig, doch er war nun mal nicht ihr Vater. Einige Dinge gingen ihn nichts an.
Gwen machte ihr nicht selten das Leben schwer, weil Maddy nie mit Jungs ausging. Normalerweise schob Maddy die Hausaufgaben oder die Arbeit im Diner vor. Sie war ja auch meistens tatsächlich mit diesen Dingen beschäftigt, aber sie wollte auch vor allem nicht Gefahr laufen, dass jemand mitbekam, wie sie eine von diesen verstörenden Visionen überkam, sollte sie jemanden zu nah an sich heranlassen. Was sollte sie dann sagen? Im ersten Jahr an der Highschool hatte sie sich einmal mit Adam Rosen verabredet, und als sie gerade Händchen hielten, stürmte sie plötzlich aus der Eisdiele, weil wie aus dem Nichts Bilder von einem schrecklichen Autounfall auf sie eingestürmt waren. Adam war ihr nachgelaufen, aber sie war so aus dem Häuschen gewesen, dass Kevin kommen und sie nach Hause fahren musste. Wenn sie nur daran dachte, wäre Maddy am liebsten vor Scham im Boden versunken.
Doch all diese früheren Visionen waren eher zufällig gewesen, so etwas wie unerklärliche mentale Störbilder. Maddy dachte, sie wäre … in Ordnung. Vielleicht geistig ein kleines bisschen gestört. Doch heute hatte sie die Leute in ihrer Vision wirklich erkannt . Und was hatte es ihr nicht alles gebracht: Sie hatte es ins »Lunch Special« geschafft.
Maddy blickte zu der riesigen Plastikuhr hinauf, die im Restaurantbereich hing. 20 Uhr 45. Immer noch relativ früh. Mit einem Seufzen machte sie sich daran, das schmutzige Geschirr ihrer Freundinnen in die Küche zu tragen. Es würde ein langer Abend werden.
5
Der nächtliche Angel Boulevard erstreckte sich ruhig und still in der Dunkelheit. Die Palmen standen absolut reglos da. Tagsüber war die Straße eine der größten Touristenattraktionen. Leute aus aller Welt strömten dann in Scharen zum Walk of Angels. Doch des Nachts, wenn die Neonreklamen ausgeschaltet und die Läden geschlossen waren, erinnerte dieser Teil des prächtigen Boulevards eher an eine verlassene Geisterstadt. Die Szenerie war fast schon unheimlich.
Ein alter Mann stolperte über die glänzenden Sterne am Boden. Die Lichter des Boulevards warfen leuchtende Schlieren über den Asphalt und blendeten den Mann. Menschentrauben standen vor den Klubs etwas weiter die Straße hinunter, doch ansonsten war alles ruhig, die meisten Läden geschlossen. Die Massen zogen allmählich weiter in Richtung Westen, zum Sunset Strip. Der Mann stützte sich an einer Mülltonne ab, dann warf er einen vorsichtigen Blick hinein. Es war der übliche Anblick: Straßenkarten, Touristen-Broschüren und Fastfood-Verpackungen. Wenn man etwas über die Seele eines Volkes in Erfahrung bringen wollte, so sagte er sich immer, musste man sich nur den Müll ansehen, den die Menschen produzierten. Mit der Hand wühlte er tief im Abfall, bis seine Finger sich um die glatte, gerundete Oberfläche einer Bierdose schlossen. Nachdem er sie herausgezogen hatte, legte er den Kopf in den Nacken und ließ sich die Überreste ihres Inhalts in den Mund und übers Kinn laufen. Er wollte die Dose wieder zurück in den Müll werfen, traf aber aus irgendeinem Grund nicht. Die Büchse kullerte über den Bürgersteig und in den Rinnstein.
Er sah der Dose nach, ohne sich jedoch die Mühe zu machen, sie aufzuheben. Wenn die Engel wollten, dass ihr Boulevard blitzte, sagte er sich, dann sollten sie doch kommen und aufräumen. Sie würden schon eine ganze Weile schrubben müssen, ehe sie es schafften, diese Stadt sauber zu machen.
Der Mann überquerte die Straße und ließ sich schwerfällig in einem Hauseingang nieder, den er für die Nacht als Unterschlupf auserkoren hatte. Dort roch es ganz leicht nach Urin, doch das störte ihn nicht weiter. Hauptsache, er war hier vor dem Wind geschützt und weit genug entfernt von den ganzen Ladenbesitzern, die früh kommen würden, sowie von den umherirrenden Touristen, die auch nachts
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