Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
erstarren.
Plötzlich wird der Stachel aus meinem Hals gerissen. Er fühlt sich an, als hätte er Widerhaken und würde meine Kehle nach außen stülpen.
Wieder durchfährt mich ein Schrei, doch ich kann ihn nicht freilassen. Mein Mund öffnet sich bloß einen Spaltbreit. Meine Gesichtsmuskeln zucken nur, anstatt sich in Todesqualen zu verzerren. Mein Schrei klingt wie ein schwaches Gurgeln.
Ich kann mein Gesicht nicht bewegen.
Raffe lässt den Schwanz wie eine Peitsche in seinen Händen knallen und zieht die Abscheulichkeit von mir herunter. Er brüllt, und ich begreife, dass er die ganze Zeit über geschrien hat.
Er krallt sich den Skorpionfötus, schwingt ihn wie einen Baseballschläger und schleudert ihn in die Behälter.
Drei Säulen, eine nach der anderen, zerbersten, als er in sie hineinkracht. Der Raum füllt sich mit dem Todesgekreisch der Monster.
Raffe fällt neben mir auf die Knie. Er wirkt wie betäubt. Und seltsam erschüttert. Er starrt mich an, als könne er nicht glauben, was er sieht. Als würde er sich weigern, zu glauben, was er sieht.
Sehe ich so schlimm aus?
Sterbe ich?
Ich versuche, meinen Hals zu berühren, um zu sehen, wie viel Blut fließt, doch es gelingt mir nicht, meinen Arm so hoch zu bringen. Ich schaue zu, wie er es schafft, ein Drittel des Weges zurückzulegen, um dann vor Anstrengung zitternd zu erschlaffen. Raffe wirkt gequält, als er Zeuge meines schwachen Bewegungsversuchs wird.
Ich will ihm sagen, dass das Gift mich paralysiert und meinen Atem verlangsamt, doch aus meinem Mund kommt nur ein Nuscheln, das nicht mal ich verstehe. Meine Zunge fühlt sich riesig an und meine Lippen zu geschwollen, um sich zu bewegen. Keines der anderen Opfer sah zugeschwollen aus, also ist es bei mir vermutlich auch nicht der Fall, aber es fühlt sich so an. Als wäre meine Zunge auf einmal zu groß und ungelenk, zu schwer, um sich zu rühren.
»Schhh«, sagt er sanft. »Ich bin da.«
Er zieht mich in seine Arme, und ich versuche mich darauf zu konzentrieren, seine Wärme zu spüren. Ich habe das Gefühl, innerlich vor Schmerz zu beben, doch äußerlich bin ich vollkommen unbeweglich, denn die Lähmung strahlt jetzt in meinen Rücken und die Beine aus. Ich brauche all meine Willenskraft, um zu verhindern, dass mein Kopf auf seinen Arm fällt.
Der Ausdruck auf seinem Gesicht jagt mir genauso viel Angst ein wie die Lähmung. Zum ersten Mal ist es kein bisschen verschlossen. Als wäre ihm inzwischen egal, was ich sehe.
Entsetzen und Kummer zeichnen sich auf seinem Antlitz ab. Ich versuche zu begreifen, dass er tatsächlich trauert. Um mich.
»Erinnerst du dich? Du magst mich nicht mal«, versuche ich zu sagen. Was mir stattdessen über die Lippen kommt, ähnelt eher dem ersten Gebrabbel eines Babys.
»Schhh.« Er streicht mir mit den Fingerspitzen über die Wangen und liebkost mein Gesicht. »Ruhig. Ich bin hier.« Er sieht mich an, und eine tiefe Angst liegt in seinen Augen. Als gäbe es noch so viel, was er mir sagen wollte, aber als habe er das Gefühl, es sei schon zu spät.
Ich will ihm übers Gesicht streichen und ihm sagen, dass sich alles finden wird. Dass alles gut wird.
Ich wünsche es mir so sehr.
43
»Schhh«, sagt Raffe, während er mich in den Armen wiegt.
Plötzlich verschwindet das Licht um Raffes Kopf im Schatten, und hinter ihm erscheint Beliels dunkle Silhouette in meinem Blickfeld.
Einer seiner neuen Flügel ist fast ganz abgerissen und baumelt nur noch an ein paar Fäden. Sein Gesicht ist wutverzerrt, während er etwas über Raffes Kopf hebt, das wie ein Kühlschrank aussieht. So muss Kain einen Felsblock über Abels Kopf gehievt haben.
Ich versuche aufzuschreien oder Raffe wenigstens durch meinen Gesichtsausdruck zu warnen.
Doch heraus kommt nur ein flüsternder Hauch.
»Beliel!«
Beliel fährt herum, um zu sehen, wer ihn da anschreit. Auch Raffe wirbelt herum, um die Szene zu erfassen. Noch immer hält er mich schützend im Arm.
In der Tür steht der Politiker. Ich erkenne ihn auch ohne die verängstigten Trophäen-Frauen, die er im Gefolge hatte.
»Leg das wieder hin. Sofort ! « Ein Stirnrunzeln stört die Freundlichkeit in seinem Gesicht, als er den riesigen Engel anstarrt.
Beliel atmet schwer, während er den Kühlschrank über sich hält. Es ist nicht klar, ob er nachgeben wird.
»Du hattest deine Chance, ihn auf der Straße umzubringen«, sagt der Politiker, als er in den Raum vordringt. »Aber du hast dich von einem Paar hübscher Flügel
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