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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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Brücke schnaubten die Pferde, denn ein Bettler hatte sich vor ihre Hufe geworfen. Es war Pain-Noir, einer von Calembredaines Gaunern, ein weißbärtiger Greis, der über und über mit dicken Rosenkränzen und Jakobsmuscheln behängt war.
    »Barmherzigkeit«, leierte er, »habt Mitleid mit einem armen Pilger, der auf dem Weg nach Compostela ist, um einen Schwur zu erfüllen, und nichts mehr hat, um weiterzuziehen. Gebt mir ein paar Sols, und ich werde auf dem Grab des heiligen Jakob für Euch beten.«
    Der Kutscher versetzte ihm einen kräftigen Peitschenhieb.
    »Zurück, du Muschelträger des Teufels!«
    Eine Dame steckte den Kopf aus dem Fenster. Ihr halb geöffneter Umhang ließ den kostbaren Schmuck erkennen, den sie um den Hals trug.
    »Was ist los, Lorrain? Treibt Eure Tiere ein wenig an; ich möchte zur Komplet in der Abtei von Saint-Germain-des-Prés sein.«
     
    Nicolas trat ein paar Schritte vor und legte die Hand auf den Türgriff.
    »Fromme Dame«, sagte er und nahm seinen zerlöcherten Hut ab, »die Ihr zur Komplet fahrt, wollt Ihr etwa diesem
armen Pilger, der sich auf den weiten Weg nach Spanien macht, um zu Gott zu beten, Euren Obolus verweigern?«
    Die Dame sah in das Gesicht mit den schwarzen Bartschatten, das in der Abenddämmerung vor ihr aufgetaucht war, und musterte das Individuum, dessen zerlumptes Hemd den Bizeps eines Ringers erahnen ließ und dessen Gürtel Schlachtermesser schmückten. Sie riss den Mund auf und begann zu schreien.
    »Zur Hilfe! Mör…«
    Doch La Pivoine hatte dem Kutscher bereits die Spitze seines Rapiers auf den Bauch gesetzt. Pain-Noir und Flipot, einer der Knaben, die in den Gräben angelten, hielten die Pferde fest. Prudent kam herbeigelaufen. Calembredaine sprang in die Kutsche und erstickte die Hilferufe der Frau mit brutaler Hand.
    »Dein Halstuch!«, rief er Angélique zu. »Gib mir dein Halstuch!«
    Ohne zu wissen, wie sie dorthin gelangt war, fand sich Angélique in der Kutsche wieder, inmitten einer nach Irispuder riechenden Duftwolke und in unmittelbarer Nähe eines schönen Rocks mit goldenen Posamenten.
    Calembredaine riss ihr das Halstuch herunter und knebelte die Frau damit.
    »Mach hin, Prudent! Nimm ihr den Schmuck ab, und ihr Geld!«
    Die Dame wehrte sich heftig. Prudent geriet ins Schwitzen, als er versuchte, den Schmuck zu lösen, eine schmale Goldkette und ein Schmuckstück, das man »carcan« nannte, eine ebenfalls aus Gold bestehende Platte, die mit mehreren großen Diamanten besetzt war.
    »Hilf mir doch mal, Marquise der Engel«, jammerte er. »Ich komme mit diesem ganzen Klimperkram nicht zurecht.«

    »Spute dich, schnell«, knurrte Calembredaine. »Ich kann sie kaum noch festhalten. Windet sich wie ein Aal!«
    Angéliques Hände fanden den Verschluss. Er öffnete sich ganz leicht. Sie hatte früher selbst ähnlichen Schmuck getragen.
     
    »Gib ihnen die Peitsche, Kutscher«, rief La Pivoine spöttisch.
    Krachend und polternd fuhr die Kutsche die Straße nach Faubourg Saint-Germain entlang. Der Kutscher, der froh war, mit dem Schrecken davongekommen zu sein, trieb sein Gespann an. Ein Stück weiter begann die Frau, die sich offenbar von ihrem Knebel befreit hatte, von Neuem zu schreien.
    Angéliques Hände waren voller Gold.
    »Bringt mal die Kerze«, brüllte Calembredaine.
     
    Im Saal in der Tour de Nesle versammelte sich alles um den Tisch und betrachtete den blitzenden Goldschmuck, den Angélique darauf abgelegt hatte.
    »Schöner Streich!«
    »Pain-Noir soll seinen Anteil bekommen. Er hat damit angefangen.«
    »Trotzdem«, seufzte Prudent, »gefährlich war die Sache doch. Und es war noch hell.«
    »Gelegenheiten wie diese darf man sich nicht entgehen lassen, das wirst du schon noch lernen, Idiot, Tollpatsch, Trampel! Besonders flink bist du wirklich nicht. Wenn die Marquise dir nicht geholfen hätte …«
     
    Nicolas sah Angélique an, und ein seltsames, triumphierendes Lächeln trat auf sein Gesicht.
    »Du sollst ebenfalls deinen Anteil bekommen«, murmelte er.

    Und er schob ihr die Goldkette zu. Sie stieß sie entsetzt zurück.
    »Riskant war es aber trotzdem«, wandte Prudent noch einmal ein. »Nicht besonders schlau, wo der Polizeispitzel nur ein paar Schritte entfernt war.«
    »Es war neblig. Er hat nichts gesehen, und wenn er etwas gehört hat, dann rennt er jetzt wahrscheinlich immer noch. Was hätte er auch unternehmen können, eh? Es gibt nur einen von der Polente, vor dem ich Angst habe. Aber den hat schon lange niemand mehr

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