Angriff Aus Dem Netz
sofort tauchte Jaggard hinter ihm auf.
»Was ist los, Dodge?«
»Wir haben die Quelle«, sagte Dodge, »aber wir sind plötzlich in einer Sackgasse gelandet.«
»Haben sie euch entdeckt?«, fragte Jaggard, schaute dabei aber Sam an.
»Nein, das war es nicht«, sagte Dodge. »Das Paket wurde einfach in eine Art Kreislauf geschickt, von einem Server zum nächsten, alle in den unterschiedlichsten Orten der Welt, und landete schließlich wieder auf dem Server in Cleveland. Dann begann der ganze Kreislauf noch einmal von vorn. Außerdem hat Sam in ihre Datei gehackt, und wir konnten einen Blick auf sie werfen. Aber da war nichts. Statistiken über die Stromproduktion der letzten Jahre, eine Menge Daten vom alten Reaktor, der in den 1970er-Jahren stillgelegt wurde. Nützt niemandem etwas. Und es gab auch keine versteckten Codes.«
»Und was folgern Sie daraus?«, fragte Jaggard.
»Ich glaube«, antwortete Dodge nachdenklich, »dass sie einfach ein paar Steine ins Wespennest geworfen haben. Vielleicht waren sie gar nicht hinter den Daten her. Sondern sie wollten nur sehen, wie wir reagieren. Und wie schnell.«
5. Vienna
So aufregend auch die ersten Tage gewesen waren, die Arbeit wurde bald sehr monoton. Offenbar kam es nicht jeden Tag vor, dass Cyberterroristen ein Kernkraftwerk infiltrieren wollten – wenn sie es überhaupt versucht hatten.
Der normale Arbeitstag bestand hauptsächlich in einer Tätigkeit: Wache schieben. Sie drehten ständig ihre Runden auf den Zinnen der elektronischen Festungen und hielten Ausschau nach heranrückenden Feinden.
Und wie für die Wachsoldaten im Mittelalter war der normale Arbeitstag im Grunde ziemlich langweilig. Immer wieder ging Sam eine Art Tagtraum durch den Kopf – er stellte sich vor, dass er und seine Kollegen auf den Mauern der Festung hin und her gingen, ständig bemüht, wachsam und kampfbereit zu bleiben, während die Stunden zu Tagen und die Tage zu Wochen wurden. Dass ihre Ledersohlen immer dünner wurden, während sie auf den ausgetretenen Wachgängen patrouillierten und darauf hofften, dass irgendetwas Aufregendes passierte, etwas, was die Monotonie des Alltags unterbrechen würde – und gleichzeitig hofften, dass der Angriff niemals erfolgen würde.
Das Leben in der luxuriösen Suite im Crowne Plaza hätte nicht angenehmer sein können, aber auch hier war es ein wenig langweilig. Sämtliche Mahlzeiten wurden ihm serviert, und zwar rund um die Uhr, selbst dann, wenn er mitten in der Nacht von einem Heißhunger überfallen wurde.
Seine Mutter schickte ihm fast jeden Tag eine E-Mail, immer noch vollkommen überzeugt, dass er in irgendeinem furchtbaren Betonkerker gefangen saß und von den anderen Gefangenen täglich verprügelt wurde.
Sam beantwortete jede Mail, während er in einem luxuriösen Ledersessel an einem teuren Schreibtisch saß. Der Schreibtisch stand vor einem Aussichtsfenster, das einen spektakulären Blick über die Stadt bot. Doch er schrieb nichts, was ihre Sorgen hätte zerstreuen können.
Ab und zu gönnte er sich den Spaß und flog um die Welt.
Dafür loggte er sich in eine der Websites ein, die einen virtuellen Globus enthielten, über den man in Echtzeit fliegen konnte. Man konnte sich über jeder beliebigen Stadt positionieren und in jeder Richtung herumfliegen. Rauf und runter, vorwärts und rückwärts, nach links oder rechts.
Setzte man noch dazu ein Neuro-Headset auf, dann gab es nur eine Beschreibung für das Gefühl, das man dabei empfand – dass man nämlich tatsächlich glaubte zu fliegen, hoch über Gebäude, über Parks und Wälder hinweg, frei wie ein Vogel, und all das, ohne den Hintern auch nur eine Sekunde vom Stuhl heben zu müssen.
Im Oktober wurde die Bedrohungswarnstufe wieder abgesenkt, und man hielt es nicht mehr für nötig, das Team jeden Tag in einem grauen Zivilfahrzeug auf die andere Straßenseite zu kutschieren. Das Team logierte zwar immer noch im Hotel, aber die mächtigen Leute, die irgendwo im Hintergrund das CDD-Team überwachten, entspannten sich wieder ein bisschen – jedenfalls so weit, dass sie dem Team erlaubten, auf eigenen Füßen über die Straße zum Hotel zu gehen.
Am 3. November, als Sam vor dem Lift wartete, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er die Hälfte der Probezeit bereits hinter sich hatte. Hatte er genug getan? In der denkwürdigen ersten Woche hatte er sehr viel Selbstvertrauen gespürt, aber die endlosen Patrouillen, die er seither hatte mitmachen müssen, hatten ihm wenig
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