Angriff Aus Dem Netz
ja, ich vermute mal, ohne Haare sollte der Empfang besser sein. Hab allerdings keinen Unterschied festgestellt.«
Wieder die angespannte Stille. Die Sonne brannte nun so stark auf Sams Hinterkopf, dass ihm ein wenig schwindelig wurde – als ob sein Hirn im Schädel zu sieden anfinge. Er schob den Stuhl so zurecht, dass er im Schatten des Vorhangs saß.
»Warum kommst du nicht rüber nach San Jose? Besuch mich doch für eine Weile.«
»Du hast einen Job, Mann. Warum soll ich allein in San Jose rumhängen?«
»Jede Menge Tussis, Kumpel.«
»Ja, super, Mann. Nicht mal hier schaut mich eine an. Wie kommst du nur darauf, dass eine aufgepumpte, blondierte Westküstentante ihre Silikonlippen für mich verziehen würde?«
»Fargas, es gibt bessere . . .«
»Besser?«, fiel ihm Fargas ins Wort, setzte sich plötzlich aufrecht und starrte Sam wütend an. »Du bist also was Besseres als ich?«
»Nein, Mann!« Sam sprang auf und streckte abwehrend die Hände aus, als müsse er einen Angriff abwehren.
»Schon okay! War nur ein Scherz.« Fargas grinste ihn an und ließ sich wieder zurücksinken. »Natürlich bist du besser als ich. Du hast schließlich einen Job. Bist Geheimagent. Hast ein Superapartment, möchte ich wetten. Und vielleicht auch eine Superblondine?«
Sam setzte sich wieder. »Komm rüber. Kannst du alles selbst nachprüfen.«
»Damit ich mich auch an der anderen Küste als Nullnummer präsentieren kann? Vergiss es. Hier bin ich in allen Computerspielen der King.«
Sam schwieg einen Moment lang, dann meinte er: »Das ist aber nicht echt, Mann.«
»Reicht mir völlig«, sagte Fargas.
»Wirklich?«, fragte Sam, und jetzt blieb Fargas eine Weile stumm und starrte auf die Bettdecke.
»Ist wirklich spannend«, murmelte er schließlich. »Hab als Bauer angefangen. Jetzt bin ich König.«
Sam sagte nichts.
»Ich vermute mal . . .«, begann Fargas. »Na ja, es fing mit einer Stunde oder so an, aber immer erst abends. Wenn ich die Hausaufgaben gemacht hatte und so. Ein bisschen spielen, bevor ich ins Bett ging. Dann fing ich an zu spielen, bevor ich die Hausaufgaben machte. Nahm mir vor, nur eine Stunde lang zu spielen, dann die Hausaufgaben zu machen, aber das schaffte ich nie. Manchmal spielte ich, bis ich vor Müdigkeit einschlief, so gegen drei oder vier am Morgen. Also setzte ich mir ein Zeitlimit. Zwei Stunden täglich, maximal. Von sieben bis neun am Abend. Aber in der übrigen Zeit konnte ich an nichts anderes denken, also konnte ich mich genauso gut einloggen.«
Sam schüttelte den Kopf.
»Ist wirklich aufregend!«, beharrte Fargas. »Jede Menge Adrenalin, du läufst ständig auf Hochtouren. Du siehst eine schöne Frau reinkommen, und irgendwo im Hinterkopf weißt du natürlich, dass es genauso gut eine alte Schachtel aus Australien oder ein Zehnjähriger aus New Jersey sein könnte, aber du denkst nicht weiter darüber nach. Du willst nur herausfinden, ob sie eine Prinzessin, eine Spionin oder eine Attentäterin ist. Und wenn du dann ausloggst, kommt dir die ganze Welt plötzlich grau und langweilig vor. Keine Superfrau spaziert ins Zimmer und versucht, dich umzulegen. Keine Armee, die du in eine Schlacht gegen die Feinde vom anderen Königreich führen kannst. Nur dein Alter meckert, weil du den Müll noch nicht runtergebracht hast. Und du merkst plötzlich, dass du die Matheaufgaben noch nicht gemacht hast, und möchtest am liebsten gleich wieder ins Spiel abtauchen.«
»Du hattest vier Tage lang nichts gegessen«, sagte Sam. »Sie haben dich bewusstlos auf dem Boden in deinem Zimmer gefunden.«
»Aber ich bin gut darin! Wirklich gut! Mein Königreich ist stark, und ich bin bei meinen Untertanen beliebt. Die ganzen Probleme der Echtwelt – sie verschwinden einfach. Das Schlimmste, was dir passieren kann, ist, dass du ums Leben kommst und dann wieder ganz von vorne anfangen musst.«
»Ich komme zurück. Geb den Job auf. Wir könnten wieder zusammen sein wie früher«, sagte Sam.
Fargas schaute ihm eine Weile in die Augen. Dann wandte er den Blick ab. Er lachte verlegen. »Nein, Mann. Ich komme allein zurecht. Wollte nur ein bisschen Dampf ablassen. Dieses Mal hab ich’s endlich kapiert. Ich fange nicht noch mal damit an. Der König ist tot. Lange lebe der nächste König.«
»Echt?«
»Echt, Kumpel. Diese Spiele sind wirklich gefährlich. Kann’s kaum glauben, dass sie nicht längst verboten wurden.«
»Und was willst du tun?«
»Hab im Moment eine gute Chance auf einen Job bei
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