Angst auf der Autobahn
Margot.
„Schnell!“
Ihre Tochter begriff und machte
kehrt.
Beide erreichten den Wagen fast
gleichzeitig. Gaby warf sich auf den Beifahrersitz. Margot lief zur anderen
Seite hinüber. Hinein! Beide Türen zu!
„Verriegeln!“ keuchte Margot.
Vernehmlich rastete der
Mechanismus ein.
Margots Hände zitterten.
„Der... hat mich angefallen“, stieß sie hervor. „Plötzlich war er da.“
Gaby war fahl geworden. Eine
Gestalt tauchte neben ihr auf. Eine schwere Faust krachte gegen die Scheibe.
Der Typ zerrte am Türöffner, bückte sich dann und starrte herein.
Entsetzt rückte Gaby von der
Tür weg. Sie sah ein breites Gesicht mit betonten Wangenknochen und unreiner
Haut. Er schwitzte.
„Mami, fahr doch! Fahr!“
„Ich kann nicht“, flüsterte
Margot. „Er hat meine Tasche. Mit den Schlüsseln.“
Für einen Moment konnte Gaby
nicht sprechen. Jetzt sah sie: Der Kerl hatte die Schultertasche, hielt sie im
linken Arm, interessierte sich aber noch nicht für den Inhalt.
„Mami!“ Gabys Stimme war nur
noch ein Wispern. „Wenn der merkt... Dann... dann kann er aufschließen...
Und...“
2. Ein Typ wie erste Jauche
„Tja“, sagte Dennis Blots.
„Wenn es rauskommt, daß ich dich informiere, Tim, dann ist meine Karriere beim
Vater Staat beendet, bevor sie begonnen hat.“
Dennis saß auf dem besseren der
beiden Sessel in der Internatsbude ,Adlernest’, war vor drei Minuten
hereingekommen, hatte nur Tim angetroffen und ihn erschreckt mit seiner
Bedenklichkeitsmiene. Dennis hatte anfangs geseufzt, die Stirn gerunzelt und
bewundernd das neue Foto von Gaby betrachtet, das — silbern gerahmt — auf Tims Nachttisch
stand.
Tim saß auf seinem Bett und
legte eine Hand hinters Ohr.
„Was kommt jetzt?
Schauergeschichten über deine Freundinnen? Himmel, kannst du nicht mal still
sein und den Duft meiner orientalischen Duftlampe genießen?!“ Dennis
schnupperte. „Duftlampe? Ich dachte, das wären deine Socken.“
„Hahahah! Das Internat verfügt
über mindestens eine Waschmaschine. Du dagegen bist auf die Gnade deiner
Freundinnen angewiesen.“
„Meine Freundinnen sind
emanzipiert. Die würden mir Schmutzwäsche ins Maul stopfen.“
„Recht so, du angehender
Ganovenjäger. Also, was ist?“ Tim seufzte und ließ sich zurücksinken. Er lag
auf seinem Bett, das tagesmäßig hergerichtet war mit bunter Überdecke. Trotzdem
hatte er seine Turnschuhe abgestreift. „Also?“ fragte er zum zweiten Mal.
„Was also?“
„Spuck’s aus, was dir so quer
in der Kehle sitzt. Du willst mir doch was sagen und weißt nur noch nicht wie.
Haben sie dich rausgefeuert?“
„Damit das ganze Präsidium
zusammenkracht? Nö! Mich kann man nicht wegrationalisieren. Ich bin unersetzlich.“
„Jeder kann abgebaut werden.
Noch dazu ein Anfänger wie du. Und in unseren bescheuerten Zeiten kommen die
Besten zuerst dran. Vermutlich, weil sie teuerer sind als die Doofen. Ach ja,
für euch Beamte gilt das nicht. Ihr kriegt alle gleich wenig. Der Staat ist
gerecht.“
Dennis reagierte mit dem müden
Lächeln des viel älteren Freundes.
„Also?“ fragte Tim zum dritten
Mal.
„Ich weiß nicht, ob ich’s dir
überhaupt sagen darf. Offiziell sowieso nicht. Deinetwegen verletze ich mein
Dienstgeheimnis. Du versprichst, daß du nicht gleich den wilden Mann spielst?
Und legst für Karl und Klößchen die Hand ins Feuer? Okay?“
Tim richtete sich wieder auf
und schwang die Beine vom Bett. Sein Gesicht nahm einen gespannten Ausdruck an.
„Versprochen! Geht’s um Gaby?“
„Auch um sie.“
„Nun erzähl schon!“
Dennis nickte. „Die
Angelegenheit begann vor 15 Jahren — also zu einer Zeit, da an dich noch nicht
zu denken war. Ich hatte immerhin schon zehn Jahre auf dem Buckel und erste
Anmache-Versuche auf der Grundschule gelernt. Aber die Zeitungen habe ich noch
nicht gelesen. Deshalb ist mir auch entgangen, was damals drin stand über einen
gewissen Horst Spelter. Er war 24, ist also heute 39, hatte bereits Frau und
dreijährige Tochter. Er kam aus asozialem Milieu, und wir wollen jetzt nicht
hinterfragen, wieso er so ein Dreckskerl wurde. Ob es charakterlich bedingt
oder die Herkunft daran schuld ist. Vermutlich beides. Ich glaube, es muß immer
beides sein. Denn auch wer ohne Leitbilder aufwächst beziehungsweise nur die
falschen hat, kann sich später immer noch frei entscheiden: aus dem Kopf heraus
und aus dem Bauch. Lassen wir das! Horst Spelter hatte zwar noch keine
Vorstrafen, war aber schon erste
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