Angst im Paradies
trat in die wohltuende Wärme. Der Fernseher lief. Anne war also Mal wieder vor dem Fernseher eingeschlafen.
Ich stellte meine Tasche auf der kleinen Kommode ab, zog die Jacke und Schuhe aus und ging dann ins Wohnzimmer. Anne lag auf dem Sofa und schlief. Ich wollte das Mädchen weiter schlafen lassen und wandte mich ab, doch dann erstarrte ich. Ruckartig drehte ich mich wieder um und das Blut gefror mir in den Adern. Ein großer, roter Fleck hatte sich auf dem hellen Teppich vor der Couch angesammelt. Ich ging mit zitternden Knien auf die liegende Gestalt zu und streckte zögernd die Hand aus. Das Mädchen gab ein leises Stöhnen von sich.
„Mein Gott!“, entfuhr es mir leise. „Was tu ich, was tu ich nur?“
Ich beugte mich zu Anne hinunter und drehte sie sanft auf den Rücken. Das Gesicht des Kindermädchens war vor Schmerz verzehrt. Die Augen waren halb geschlossen.
„Wer war das? Was ist passiert?“, fragte ich panisch. „Was ist mit Lamin?“
Es kam nur ein weiteres Stöhnen von Anne, sie war zu schwach, um zu sprechen. Ich griff nach dem schnurlosen Telefon, welches auf dem Tisch lag und wählte den Notruf, noch während ich mich zu dem Zimmer meines Sohnes aufmachte.
Ein Mann meldete sich. Mit hektischer Stimme erklärte ich, wer ich war und was passiert war. Meine Stimme stockte, als ich Lamins Zimmer betrat und das Bettchen leer vorfand.
„Hören sie? Mein Sohn ist verschwunden. Er ist ein und drei viertel Jahr alt. Ich vermute, dass mein Ex-Mann mein Kindermädchen niedergeschossen und meinen Sohn entführt hat“, meine Stimme überschlug sich und ich bemühte mich, die aufkommende Panik niederzukämpfen. Wie lange war es her? Waren sie schon in einem Flieger nach Gambia?
„Hallo? Alles in Ordnung?“, ertönte die Stimme des Mannes von der Notrufzentrale. „Ich habe die Einsatzkräfte schon informiert. Polizei und Notarzt sind auf dem Weg. Bleiben sie, wo sie sind und bewahren sie Ruhe. Hilfe ist unterwegs. Haben sie mich verstanden? – Hallo? – Hallo?“
„Ja“, hauchte ic;, hauchh schwach und ließ mich auf den Boden neben Lamins Bett niedersinken. „Ja, ich habe gehört. Danke.“
„Es muss jeden Moment jemand da sein. Es kommt alles in Ordnung. Wenn ihr Ex-Mann seinen Sohn entführt hat, dann sicher nicht, um ihm was anzutun. Er kann die Insel nicht verlassen, man wird ihn und den Jungen finden. Bleiben sie ruhig.“
„Ich höre Sirenen. Ich glaube, die Polizei kommt“, sagte ich, als ich das näher kommende Geheul von Blaulicht hörte. „Ich danke ihnen.“
„Keine Ursache. Kopf hoch.“
Nachdem ich die Verbindung beendet hatte, erhob ich mich wie ein Zombie und torkelte zur Tür. Es klopfte, noch ehe ich die Tür erreicht hatte.
Es war die Polizei, ein älterer Mann mit Halbglatze und eine junge Beamtin. Weiteres Sirenengeheul kündigte die Ankunft des Rettungswagens an.
„Frau Weber?“, sprach die junge Beamtin mich mit ruhiger Stimme an.
Ich nickte.
„Können wir reinkommen?“
Wieder nickte ich und trat beiseite. Die beiden Beamten betraten die Wohnung. Ich ließ die Tür offen. Unten ging die Haustür, die Rettungssanitäter kamen die Treppe hinauf. Ich führte die Polizisten ins Wohnzimmer zu dem angeschossenen Kindermädchen.
„Das ist ihr Kindermädchen?“, fragte der ältere Beamte.
„Ja, Anne Wilkins. Sie war hier mit meinem Sohn allein. Ich bin von der Nachtschicht gekommen und habe sie so vorgefunden. Dann habe ich sofort den Notruf getan“, informierte ich die Beamten.
Die junge Polizistin kniete neben Anne nieder und fühlte den Puls. In dem Moment platzten auch schon die Sanitäter und ein Notarzt in das Zimmer, die dann schnell die Erstversorgung des schwer verletzten Kindermädchens übernahmen. Ich zeigte den Beamten das leere Kinderzimmer und beantwortete die Fragen wie in einem Traum. Alles kam mir so unwirklich vor. Das viele Blut auf dem hellen Teppich, das leere Bettchen meines Sohnes, der ganze Trubel von Polizei und Rettungsteam. Dann trafen auch noch die Ermittler der Mordkommission ein, da es sich um versuchten Mord handelte und noch immer war ungewiss, ob das Kindermädchen überleben würde. Sie hatte sehr viel Blut verloren und hatte mittlerweile das Bewusstsein verloren.
Kapitel 36
D er Junge war eingeschlafen. Modou hob ihn auf seinen Arm und trug ihn in das Flughafengebäudew. Es war noch zu früh zum einchecken. Er konnte nur hoffen, dass niemand Julia fand. Obwohl er nicht wüsste, warum das passieren
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