Angst im Paradies
Jungen und hechtete auf die Balustrade zu. Dort kletterte er mit dem apathischen Kind auf dem Arm hinauf und blickte Julia und die Beamten provozierend an.
„Kommt nicht näher, wenn ihr nicht wollt, dass dem Jungen was passiert!“
*
Ich schrie auf und wurde von einem Beamten daran gehindert, zu der Balustrade zu stürzen.
„Sie dürfen nichts Unüberlegtes tun“, zischte er mir ins Ohr. „Wir werden ihren Sohn retten, aber sie müssen das uns überlassen.“
„Oh Gott! Oh Gott, nein, nein!“, wimmerte ich und ließ mich etwas weiter weg führen.
*
Modou war auf dem Geländer etwas weiter gerutscht, denn unten stand ein Wagen mit Gepäck, auf den er springen konnte. Er kletterte, den Blick auf die Beamten geheftet, über die Balustrade, den Jungen auf dem Geländer balancierend. Er würde seinen Sohn nicht töten können, doch das musste er ihnen ja nicht auf die Nase binden.
„Geben sie den Jungen frei. Wir werden sie nicht weiter behelligen, aber geben sie das Kind frei!“, sagte einer der Beamten.
Mittlerweile war auch Unterstützung von der Flughafenpolizei angekommen, die sich hinter einem Schalter einer Airline unterhalb der Balustrade postiert hatte, die Waffen im Anschlag.
*
Alles ging so schnell, dass ich kaum etwas mitbekam. Modou wollte etwas weiter in Richtung des Gepäckwagens klettern und verlor den Halt, er rutschte ab und ein Polizist stürzte vorwärts, erwischte Lamin gerade noch an der Jacke, während Modou schreiend fiel und dann auf dem Boden neben dem Gepäckwagen aufprallte. Das Kind baumelte in der Luft und ich schrie und schrie.
*
Modou öffnete die Augen. Er hatte einen metallischen Geschmack im Mund. Er hustete, spuckte Blut. Über sich sah er seinen Sohn in der Luft baumeln.
„Nein!“, stöhnte er. Er sah, wie sich der Reißverschluss der Jacke öffnete und das Kind unweigerlich aus der Jacke zu schlüpfen drohte. Er rutschte mit letzter Kraft zur Seite, direkt unter Lamin, und als das Kind fiel, breitete er die Arme aus. Er fasste das Kind, bremste seinen Fall, bevor sein Sohn auf seiner Brust landete. Schmerz durchflutete Modou, als das Gewicht auf seine gebrochenen Knochen traf. Der Junge wimmerte, doch Modou war sicher, dass ihm nichts weiter passiert war. Er sah Menschen über sich, die sich über das Geländer lehnten, hörte Schreie. Jemand erschien an seiner Seite und nahm seinen Sohn aus seinen Armen. Eine Träne quoll aus Modous Auge. Wenigstens war der Junge gerettet. Er hustete erneut. Das Blut füllte seinen Mund, süß und dick. Auch seine Nase war gefüllt mit Blut. Er bekam kaum noch Luft, rote und schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen, dann kam Dunkelheit.
*
„Frau Weber?“, ertönte eine freundliche Stimme neben mir.
Ich blickte auf und sah in das Gesicht des Arztes, der Lamin untersucht hatte. Man hatte Lamin und mich ins Krankenhaus gefahren, um festzustellen, ob Lamin vielleicht doch innere Verletzungen hatte. Mir hatte man ein Beruhigungsmittel verabreicht. Ich war noch immer geschockt von den Ereignissen. Als ich Lamin hatte fallen sehen, war mir, als würde jemand mir das Herz aus der Brust reißen. Ich hatte gedacht, er würde es nicht überleben. Doch Modou hatte ihn gerettet. Nach all dem, was er getan hatte, vor seinem tragischen Tod hatte er noch eine gute Tat getan und ich war dankbar dafür. Auch, wenn sein Tod mir eine gewisse Erleichterung brachte. Wir waren nun sicher vor ihm. Er konnte uns nie wieder etwas antun. Manas antun hatte mir auch berichtet, dass Anne noch immer auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfte. Noch konnte niemand sagen, ob das Kindermädchenüberlebenwürde.
„Sie können jetzt reinkommen. Es geht ihm gut. Er steht noch unter dem Einfluss eines Narkotikum, doch dass wird sich in ein paarStunden gelegt haben. Verletzt ist er jedenfalls nicht weiter schlimm. Nur ein paar Prellungen und ein Bluterguss, wo ihr Ex-Mann ihn gefasst hatte, um ihn aufzufangen. Alles in allem hat ihr Sohn großes Glück gehabt.“
Ich atmete erleichtert auf und erhob mich mit weichen Knien. Der Arzt fasste mich hilfreich am Arm und führte mich in das Zimmer, wo Lamin auf einer Liege lag und schlief. Er sah so klein aus, so verletzlich und mir kamen die Tränen. Doch es waren Tränen der Erleichterung und ich wischte sie schnell weg. Eine Schwester lächelte mir aufmunternd zu.
„Es geht ihm gut“, sagte sie und strich Lamin über den Kopf. „Sie können sich neben ihn setzen, wenn sie möchten.
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