Angst in deinen Augen
Stil definitiv nicht, dachte Sam, während er sich in dem Raum umschaute.
„Aber um Ihre Frage zu beantworten, Detective, nein, ich kann mir keinen Grund denken, warum jemand einen Bombenanschlag auf die Good Shepherd Church verüben sollte.“
Er erkundigte sich als Nächstes, wann und mit wem sie die Kirche verlassen hatte.
„Mit Wendy, meiner anderen Tochter. Roberts Trauzeugen … ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen. Meinem Exmann George und seiner derzeitigen Frau.“
„Derzeitigen.“
Sie schnaubte. „Daniella. Seine vierte bis jetzt.“
„Was war mit Ihrem Mann?“
Sie schwieg einen Moment. „Edward hatte sich verspätet. Seine Maschine aus Chicago flog erst zwei Stunden später ab.“
„Dann ist er immer noch nicht da.“
„Nein. Aber er hatte vor, an der Feier teilzunehmen.“
Wieder schaute Sam sich in dem Zimmer um, ließ seinen Blick über die Antiquitäten schweifen. „Darf ich fragen, was Ihr Mann beruflich macht, Mrs. Warrenton?“
„Er ist der Präsident von Ridley-Warrenton.“
„Der Holzfirma?“
„Richtig.“
Das erklärt natürlich das Haus und den Mercedes, dachte Sam. Ridley-Warrenton war einer der größten Großgrundbesitzer im nördlichen Maine. Die Holzprodukte der Firma wurden weltweit verkauft.
Seine nächste Frage war unvermeidlich. „Mrs. Warrenton, hat Ihr Mann Feinde?“
Ihre Antwort überraschte ihn. Sie lachte. „Jeder, der Geld hat, hat Feinde, Detective.“
„Können Sie mir einen Namen nennen?“
„Da müssen Sie schon Edward selbst fragen.“
„Das werde ich“, sagte Sam und stand auf. „Wären Sie so freundlich, mich anzurufen, sobald Ihr Mann zurück ist?“
„Mein Mann ist sehr beschäftigt.“
„Ich habe ebenfalls viel zu tun, Ma’am“, gab er zurück. Mit einem kurzen Nicken drehte er sich um und verließ das Haus.
„Glaubst du nicht, dass sich eure Beziehung noch kitten lässt?“, fragte Lydia ihre Tochter eine halbe Stunde später, als diese ins Wohnzimmer kam, um sich zu verabschieden.
„Nach dem, was heute passiert ist?“ Nina schüttelte den Kopf.
„Und wenn du dir Mühe gibst? Vielleicht ist es ja etwas, über das ihr reden könnt. Etwas, das du ändern kannst.“
„Mutter. Bitte.“
Lydia sank in die Brokatpolster zurück. „Du bist trotzdem zum Abendessen eingeladen.“
„Vielleicht ein andermal“, sagte Nina sanft. „Machs gut, Mutter.“
Sie hörte keine Antwort, als sie zur Eingangstür ging.
Sie hatte ihren Honda am Morgen hinter dem Haus geparkt. Am Morgen des Tages, der ihr Hochzeitstag hätte sein sollen. Wie stolz hatte Lydia sie angelächelt, als sie neben ihr in der Limousine gesessen hatte! Genauso wie eine Mutter ihre Tochter anlächeln sollte. Nur dass Lydia es noch nie vorher getan hatte.
Und es vielleicht auch nie wieder tun würde.
Diese Fahrt zur Kirche, die lächelnden Gesichter, das übermütige Lachen schien ein Leben weit weg zu sein. Sie startete den Honda und lenkte ihn auf die Straße.
Betäubt fuhr sie nach Süden, in Richtung Hunts Point. Zu Robert nach Hause. Das bis jetzt auch ihr Zuhause gewesen war. Die Straße war kurvenreich. Was ist, wenn Robert die Stadt gar nicht wirklich verlassen hat?, dachte sie. Was war, wenn er zu Hause war? Was würden sie zueinander sagen?
Also, tschüss dann.
Sie umklammerte das Lenkrad fester und dachte an all das, was sie ihm gern sagen würde. Wie benutzt und betrogen sie sich fühlte. Ein ganzes Jahr. Ein ganzes verdammtes Jahr meines Lebens.
Erst als sie an Smugglers Cove vorbei war, warf sie wieder einen zufälligen Blick in den Rückspiegel. Hinter ihr war ein schwarzer Ford. Derselbe Ford, der schon vor ein paar Meilen hinter ihr gewesen war, in der Nähe vom Delano Park. Zu jeder anderen Zeit hätte sie sich selbstverständlich nichts dabei gedacht. Aber heute, nach allem, was dieser Detective Navarro in Erwägung gezogen hatte …
Sie schüttelte eine vage Beklemmung ab, konzentrierte sich wieder auf die Straße und bog auf den Ocean House Drive ab.
Der Ford auch. Das war noch kein Grund, alarmiert zu sein. Der Ocean House Drive war schließlich eine viel befahrene Hauptstraße.
Nur um ihre Beklemmung loszuwerden, nahm sie die letzte Abfahrt, nach Pebbles Point. Es war eine wenig befahrene Straße. Hier würde der Ford ihr bestimmt nicht mehr folgen.
Der Ford nahm dieselbe Abfahrt.
Jetzt bekam sie wirklich Angst.
Sie drückte das Gaspedal durch. Der Honda gewann an Fahrt. Bei fünfzig Meilen pro Stunde würde sie die
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