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Angst in deinen Augen

Angst in deinen Augen

Titel: Angst in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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beobachtete sie, wie er mit einem Streifenpolizisten sprach, der längere Zeit auf Navarro einredete. Als Sam anschließend langsam um den arg mitgenommenen Honda herumging, fühlte sich Nina an eine umherstreifende Wildkatze erinnert. Nachdem er den Boden untersucht hatte, richtete er sich wieder auf, wandte den Kopf und schaute in ihre Richtung.
    Und begann auf sie zuzugehen.
    Plötzlich spürte sie, dass sich ihr Puls beschleunigte. Irgendetwas an dem Mann faszinierte sie und flößte ihr gleichzeitig Unbehagen ein. Es war mehr als nur seine körperliche Präsenz, die schon allein eindrucksvoll genug war. Es war auch die Art, wie er sie anschaute, dieser nicht zu entziffernde Blick. Diese Unergründlichkeit machte sie nervös. Die meisten Männer schienen sie attraktiv zu finden, und sie würden zumindest versuchen, freundlich zu sein.
    Doch dieser Mann schien in ihr nichts anderes als ein potenzielles Opfer zu sehen. Seiner intellektuellen Anstrengung wert, aber nicht mehr.
    Als er herankam, straffte sie die Schultern und begegnete, ohne mit der Wimper zu zucken, seinem Blick.
    „Sind Sie okay?“, fragte er.
    „Nur ein paar Kratzer, das ist alles.“
    „Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht röntgen lassen wollen? Ich könnte Sie beim Krankenhaus absetzen.“
    „Danke, aber das ist nicht nötig. Ich bin Krankenschwester. Ich wüsste es, wenn es etwas Ernstliches wäre, Detective, das können Sie mir glauben.“
    „Es heißt, Ärzte und Krankenschwestern sind die schlimmsten Patienten. Ich werde Sie sofort ins Krankenhaus fahren. Nur zur Sicherheit.“
    Sie lachte ungläubig. „Das klingt ja wie ein Befehl.“
    „Offen gestanden ist es auch einer.“
    „Wirklich, Detective, ich würde es wissen, wenn irgendetwas mit mir nicht …“
    Sie sprach zu seinem Rücken. Der Mann hatte ihr doch tatsächlich den Rücken zugedreht! Er war schon unterwegs zu seinem Auto. „Detective!“, rief sie.
    Er schaute über die Schulter. „Ja?“
    „Ich werde nicht … das ist nicht …“ Sie seufzte. „Ach, vergessen Sie’s“, murmelte sie schließlich und ging ihm nach. Es war sinnlos, mit diesem Mann zu argumentieren. Er würde ihr bloß wieder den Rücken zudrehen. Als sie neben ihn auf den Beifahrersitz glitt, verspürte sie einen Stich in der Brust. Sie wusste, dass es Stunden, ja Tage dauern konnte, bis sich Verletzungen bemerkbar machten. Sie hasste es, es zuzugeben, aber vielleicht hatte er ja doch recht mit seinem Vorschlag.
    Sie fühlte sich zu unwohl, um während der Fahrt etwas zu sagen. So war es dann Sam, der schließlich das Schweigen brach.
    „Und können Sie mir erzählen, was passiert ist?“
    „Ich habe meine Aussage bereits zu Protokoll gegeben. Irgendwer hat mich von der Straße abgedrängt.“
    „Ja, ein schwarzer Ford, Fahrer männlich. Zugelassen in Maine.“
    „Dann wissen Sie ja schon alles.“
    „Der Zeuge des Unfallhergangs sagte aus, er hätte den Eindruck gehabt, dass es sich um einen Betrunkenen gehandelt habe. Er glaubt nicht, dass es Absicht war.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll.“
    „Wann haben Sie den Ford das erste Mal gesehen?“
    „Irgendwo bei Smugglers Cove, glaube ich. Dort fiel mir jedenfalls auf, dass er mir folgte.“
    „Hat er Ihnen etwa gewinkt? Hat er Ihnen irgendwelche Zeichen gegeben?“
    „Nein. Er ist mir einfach nur … nachgefahren.“
    „Kann er schon früher hinter Ihnen gewesen sein?“
    „Ich bin mir nicht sicher.“
    „Ist es möglich, dass er schon da war, als Sie vom Haus Ihrer Mutter wegfuhren?“
    Sie schaute ihn mit gerunzelter Stirn an. Sein Blick war fest auf die Straße gerichtet. Der Tenor seiner Fragen hatte sich im Lauf des Gesprächs fast unmerklich verändert. Zuerst hatten sie nichtssagend geklungen. Vielleicht sogar skeptisch. Aber die letzte Frage verriet ihr, dass er andere Möglichkeiten in Betracht zog als einen betrunkenen Fahrer. Möglichkeiten, die ihr einen Schauer über den Rücken jagten.
    „Wollen Sie damit sagen, dass er dort auf mich gewartet haben könnte?“
    „Ich versuche nur, alles auszuloten.“
    „Der andere Polizist dachte auch, dass es bestimmt ein Betrunkener war.“
    „Das ist seine Meinung.“
    „Und was ist Ihre?“
    Er antwortete nicht. Er fuhr einfach nur seelenruhig weiter. Zeigte dieser Mann jemals Gefühle? Ein Mal, nur ein einziges Mal würde sie gern etwas sehen, das ihm richtig unter sein dickes Fell ging.
    „Detective Navarro“, sagte sie.

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