Angst in deinen Augen
Center.“
„Auf welcher Station?“
„In der Notaufnahme.“
„Gab es dort irgendwelche Probleme? Konflikte mit Kollegen oder Vorgesetzten?“
„Nein. Wir kommen alle gut miteinander aus.“
„Irgendwelche Drohungen? Von Patienten vielleicht?“
Sie gab einen Laut der Verzweiflung von sich. „Bitte, Detective, würde ich es nicht wissen, wenn ich Feinde hätte?“
„Nicht unbedingt.“
„Sie tun Ihr Bestes, damit ich Verfolgungswahn bekomme.“
„Ich bitte Sie nur, einen Schritt zurückzutreten und einen Blick auf Ihr Leben zu werfen. Denken Sie an alle Leute, die Sie nicht mögen könnten.“
Nina sank in ihren Sitz zurück. Alle Leute, die mich nicht mögen. Sie dachte an ihre Familie. An ihre ältere Schwester Wendy, mit der sie nie viel verbunden hatte. An ihre Mutter Lydia, die mit einem reichen Snob verheiratet war. Ihren Vater George, der inzwischen bei seiner vierten Frau angelangt war, einer blonden Trophäe, die die Nachkommenschaft ihres Ehemanns als ein Ärgernis betrachtete. Es war eine große, kaputte Familie, aber es waren bestimmt keine Mörder darunter.
Sie schüttelte energisch den Kopf. „Nicht einer, Detective. Es gibt nicht einen.“
Er schwieg, dann seufzte er und klappte sein Notizbuch zu. „Also gut, Miss Cormier. Ich schätze, das war’s dann fürs Erste.“
„Fürs Erste?“
„Ich habe vielleicht noch mehr Fragen. Nachdem ich mit dem Rest der Hochzeitsgesellschaft gesprochen habe.“ Er öffnete die Autotür, stieg aus und drückte sie zu. Durch das offene Fenster sagte er: „Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, das Ihnen wichtig erscheint, rufen Sie mich an.“ Er schrieb etwas in sein Notizbuch und hielt ihr die herausgerissene Seite hin, auf der sein Name und seine Telefonnummer standen.
„Dann … kann ich jetzt nach Hause?“
„Ja.“ Er wandte sich zum Gehen.
„Detective Navarro?“
Er drehte sich wieder zu ihr um. Bisher war ihr gar nicht aufgefallen, wie groß er war. Nachdem sie ihn jetzt in voller Größe sah, fragte sie sich, wie er je auf den Sitz neben ihr gepasst hatte. „Ist noch etwas, Miss Cormier?“
„Sie haben gesagt, dass ich gehen kann.“
„Das ist richtig.“
„Ich habe kein Auto dabei.“ Sie deutete mit dem Kopf auf die zerbombte Kirche. „Und ein Telefon gibt es hier auch nicht. Könnten Sie vielleicht meine Mutter anrufen? Damit sie mich abholt? Ich gebe Ihnen die Nummer.“
„Ihre Mutter?“ Er schaute sich suchend um, dann ging er mit einem Ausdruck der Resignation um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür. „Kommen Sie. Ich bringe Sie nach Hause.“
„Hören Sie, ich habe Sie nur darum gebeten, dass Sie meine Mutter anrufen.“
„Kein Problem.“ Er streckte ihr die Hand entgegen, um ihr beim Aussteigen zu helfen. „Ich muss ohnehin bei Ihrer Mutter vorbeifahren.“
„Bei meiner Mutter? Warum?“
„Sie war auf der Hochzeit. Ich muss mit ihr sprechen. Auf diese Weise schlage ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.“
Wie galant, dachte sie.
Er streckte ihr immer noch die Hand hin. Sie übersah sie. Es war ein kleines Kunststück, aus dem Auto herauszukommen, weil sich ihre Schleppe um ihre Beine wickelte und sie sich freistrampeln musste. Als sie sich schließlich aus den Stofflagen herausmanövriert hatte, bemerkte sie, dass er sie amüsiert beobachtete. Sie griff nach ihrer Schleppe und rauschte mit einem wütenden Rascheln an ihm vorbei.
„Äh, Miss Cormier?“
„Was ist?“, fragte sie unfreundlich über die Schulter.
„Mein Auto steht in der anderen Richtung.“
Sie blieb stehen, ihre Wangen brannten. Mr. Detective lächelte jetzt doch tatsächlich, ein voll erblühtes Habe-gerade-den-Kanarienvogel-gefressen-Grinsen.
„Der blaue Taurus dort.“ Er streckte die Hand aus und deutete in die Richtung. „Die Tür ist offen. Ich bin gleich bei Ihnen.“ Er drehte sich um und ging auf die Polizisten zu.
Nina stürmte zu dem blauen Taurus hinüber. Dort spähte sie angewidert durch die Scheibe. In diesem Auto sollte sie mitfahren? In diesem Saustall? Sie öffnete die Tür. Ein Pappbecher kullerte ihr entgegen. Auf dem Boden des Beifahrersitzes lagen eine zerknüllte McDonald’s-Tüte, noch mehr Pappbecher und ein zwei Tage alter Portlands Press Herald. Der Rücksitz war unter noch mehr Zeitungen, Aktenordnern, einer Brieftasche, einer Anzugjacke und – zu allem Überfluss – einem alten Baseballhandschuh begraben.
Sie sammelte den Müll vom Boden des Beifahrersitzes ein, warf ihn
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