Angst über London
vibrierte dabei. »Diese Person«, dabei deutete sie auf mich, »saß hier in Sinclairs Büro und behauptet frech, John Sinclair zu sein.«
Sir James nickte. Dann drehte er den Kopf und schaute mir ins Gesicht.
Die Augen hinter seinen dicken Brillengläsern funkelten, und in mir machte sich so etwas wie eine Ahnung breit.
»Wer sind Sie?« fragte mich mein Chef.
Nein! Nein! Das durfte doch nicht wahr sein. Da lief doch was falsch.
Waren denn alle hier wahnsinnig? »Ich bin John Sinclair«, wiederholte ich zum X-ten Mal. »Oberinspektor bei Scotland Yard. Und Sie sind Sir James Powell, mein Vorgesetzter und stehen im Range eines Superintendenten. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Das haben Sie. Aber Sie können nicht behaupten, John Sinclair zu sein.«
»Tut mir leid.«
Ich hob die Schultern. Dann lachte ich. Ja, ich lachte, weil es zum Weinen zu lustig war. Lauthals schallte mein Lachen. Die Kollegen im Flur mussten es hören, bis Sir Powell eingriff.
»Halten Sie Ihren Mund!«
Mein Lachen brach.
Der Superintendent fixierte mich scharf. »Wenn Sie nicht freiwillig gehen, lasse ich Sie hinauswerfen!«
»Ich denke gar nicht daran!«
Sir James Powell drehte sich um und ging zur Tür. »Moment!« sagte ich.
»Brauchen Sie Beweise, dass ich John Sinclair bin?«
»Nein, Sie sind es nicht und fertig.«
»Aber ich habe mein Kreuz, ich habe meine Beretta, meinen Ausweis.«
»Ich kann Ihnen…«
»Sie können nur verschwinden!« Sir Powell öffnete die Tür.
Sekundenlang starrte ich in den Flur. Ich überlegte, ob ich es darauf ankommen lassen sollte, entschied mich aber dafür, den Rückzug anzutreten.
Auf dem Flur schaute ich mich nicht um. Kollegen begegneten mir. Sie grüssten, als wäre ich ein Fremder. Mit dem Lift fuhr ich nach unten.
Jetzt hielt mich der Pförtner an. »Wo wollen Sie hin?« Er hatte gesehen, dass ich den Hinterausgang benutzte.
»Zum Parkplatz. Dort steht mein Wagen.«
»Gut.«
Der Mann schaute mir nach, bis ich die Fahrertür geöffnet hatte. Wütend knallte ich sie ins Schloss. Ich drehte mich zur Seite und blickte an der Fassade des Yard Building hoch.
Es war zu meiner zweiten Heimat geworden. Und man hatte mich rausgeworfen wie einen räudigen Dieb. Was steckte dahinter?
Ich fuhr nach Hause.
Diesmal allerdings langsam, denn ich wollte und ich musste nachdenken.
Zuviel war passiert.
Man hatte mich nicht erkannt. Ich war plötzlich für die Kollegen im Yard ein Fremder. Wieso? Warum - was war geschehen?
An einer Ampel musste ich halten.
Ich schaute aus dem Fenster. Links sah ich den St. James Park. Die Bäume hatten mittlerweile ihr letztes Laub verloren. Ein skurriles Gebilde aus kahlen Ästen reckte sich dem bleifarbenen Novemberhimmel entgegen. Einige Krähen hockten auf den Ästen. Die schwarzen Vögel passten zu dieser Zeit.
Hinter mir wurde gehupt.
Die Ampel war längst umgesprungen, ich gab wieder Gas und fuhr langsam an.
So etwas war mir noch nie in meinem Leben passiert. Am liebsten hätte ich mich in einen Pub verkrochen und mich volllaufen lassen. Mein Verstand allerdings sprach dagegen. Ein Rausch brachte nichts ein. Ich musste einen klaren Kopf behalten.
Mal sehen, was Suko zu all dem sagte. Hoffentlich erkannte der mich noch.
London war völlig normal. Ich schaute aus dem Fenster, sah den fließenden Verkehr, die Menschen auf den Gehsteigen, den Trubel, die Hektik der Morgenstunden. Ein Tag wie jeder andere.
Leicht dunstig, nur ohne Regen oder Schnee. Es war auch nicht sehr kalt. Der Frost der letzten Tage hatte sich verflüchtigt.
Ein schüchterner Sonnenstrahl verirrte sich durch das Wolkengewirr und zeichnete ein helles Quadrat auf die Hausdächer.
Ein Bus überholte mich. Kinder winkten, ich lächelte nicht einmal. Zu schwer waren die Gedanken.
Was stimmte da nicht? Welch eine Teufelei steckte dahinter, denn dass es so sein musste, daran gab es für mich keinerlei Zweifel. Nicht ich reagierte unnormal, sondern die anderen. Oder hatte man mich doch magisch beeinflusst?
Das wäre allerdings stark gewesen, denn normalerweise schützte mich mein Kreuz vor solchen Attacken, und das legte ich auch während der Nacht nie ab. Ich erreichte das Hochhaus, in dem meine Wohnung lag, lenkte den Bentley in die Tiefgarage und fuhr in meine reservierte Parktasche, Eilig hatte ich es nicht, als ich dem Fahrstuhl zusteuerte und mich nach oben schießen ließ.
Ich ging über den Flur. Niemand begegnete mir. Eigentlich hätte ich auch durch den
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