Angst über London
November hielt selbst Ganoven zurück und Dämonen anscheinend auch.
Auf dem Flur schlugen die Türen. Die ersten Mitarbeiter trafen ein. Ich hoffte, dass Glenda auch dabei sein würde. Dann bekam ich endlich meinen Kaffee. Sie ließ noch auf sich warten.
Die Zeit verging viel zu langsam. Ich holte meine Uhren hervor und stellte sie auf den Schreibtisch, damit ich sie nur nicht vergaß. Allerdings fühlte ich mich ohne Armbanduhr irgendwie nackt, deshalb legte ich sie doch um.
Draußen wurde es langsam heil. Der erste graue Streifen kroch über den Himmel und wurde immer breiter. Er schob die Dunkelheit der Nacht regelrecht weg.
Dann kam Glenda.
Ich sah sie nicht, sondern hörte sie. Meine Sekretärin erkannte ich schon am Gang auf dem Flur. Diese schnellen, etwas hastigen Schritte waren zu markant. Glenda betrat das Vorzimmer. Sie drückte die Tür zu und wandte sich um.
Glenda trug einen Trench, der in der Taille von einem Gürtel gehalten wurde.
Sie drehte sich halb, und ich hatte mich erhoben. Jetzt musste sie mich sehen.
Sie sah mich, doch ihr Gesicht nahm einen ungeheuer erstaunten Ausdruck an.
Ich lachte. »Da staunen Sie, was? So früh bin ich schon im Büro, liebe Glenda. Und jetzt seien Sie so gut und kochen Sie mir eine Tasse von ihrem Besten.« Glenda schüttelte den Kopf. Anscheinend konnte sie noch immer nicht fassen, mich hier zu sehen.
Mein Lächeln zerbrach. »Ist irgend etwas? Habe… habe ich etwas an mir?«
»Nein, nein, Mister.«
Mister, hatte Sie gesagt! Komisch…
»Was ist?«
Glenda Perkins schluckte. »Wer… wer sind Sie, Mister? Und was machen Sie in diesem Büro?«
Da wurde doch der Hund in der Pfanne verrückt. Glenda Perkins kannte mich nicht mehr oder wollte mich nicht kennen. Ganz ruhig bleiben, sagte ich mir, ganz ruhig.
Ich lächelte noch. »Sie fragen also, wer ich bin, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ich bin John Sinclair. Oberinspektor John Sinclair. Angestellter Ihrer Majestät der Königin. Alles klar?«
»Sie sind nicht John Sinclair!«
Die Antwort klang so bestimmt, dass mir mein Lächeln auf den Mundwinkeln gefror.
»Wiederholen Sie das noch mal, bitte?«
»Gern.« Sie sagte mir die gleichen Worte.
Ich verstand die Welt nicht mehr. Entweder war sie verrückt oder ich.
»Okay, ich bin nicht John Sinclair. Dann seien Sie wenigstens so gut und machen mir einen Kaffee.«
»Wie käme ich dazu, für einen Fremden den Kaffee zu bereiten«, erklärte mir Glenda.
Das war harter Tobak!
Ich setzte mich.
Glenda kam näher. Vor meinem Schreibtisch blieb sie stehen. Ihre dunklen Augen blitzten. »Und jetzt verschwinden Sie hier, Mister. Aber auf der Stelle. Hauen Sie ab! Ich will Sie nicht mehr hier sehen. Machen Sie, dass Sie wegkommen!«
Ihr Gesicht wurde rot vor Anstrengung. Sie war auch wütend.
Nicht nur sie. Auch mir kochte die Galle über. »Verflucht noch mal!« zischte ich. »Was wird hier eigentlich gespielt? Bin ich in einem Irrenhaus gelandet?« Ich schüttelte den Kopf und schlug mir gegen die Stirn. »Ich heiße John Sinclair. Soll ich Ihnen, meiner Sekretärin, noch den Ausweis zeigen, um dieses zu beweisen?«
»Nein, das ist nicht nötig.«
»Na bitte. Dann ist ja alles okay.« Ich lächelte wieder. »Kochen Sie mir endlich einen Kaffee. Bitte…«
Glenda ging überhaupt nicht auf das Thema ein. »Sie sind also nicht willens, das Büro zu räumen?«
»Nein.«
»Das ist Ihr letztes Wort?«
»Sicher!«
»Dann lasse ich Sie entfernen.« Glenda machte auf der Stelle kehrt und ging in ihr Büro.
Zwei Sekunden hockte ich fest geleimt auf meinem Stuhl. Dann sprang ich auf. Ich brauchte weniger Schritte als Glenda. Noch bevor sie den Hörer abnahm, war ich bei ihr und riss sie an der Schulter herum.
»Lassen Sie mich los!« fauchte Glenda.
»Nein!«
Klatsch! Da hatte ich eine Ohrfeige sitzen. Die Hand hieb gegen meine linke Wange, die sofort rot wurde und anfing zu brennen.
Ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte.
Glenda Perkins, meine Sekretärin, hatte mir eine Ohrfeige gegeben.
Das… das war doch nicht drin. Die musste verrückt geworden sein, durchgedreht haben. Unmöglich, so etwas.
Glenda wandte sich wieder dem Telefon zu. Da jedoch wurde die Tür aufgestoßen.
Sir James Powell erschien.
Glenda wirbelte herum. Erleichterung machte sich auf ihrem, aber auch auf meinem Gesicht breit. Jetzt würde bald alles geklärt sein.
Bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte Glenda schon reagiert. »Sir!« rief sie laut, und ihre Stimme
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