Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
hatte, war, dass Johannes Kluger während der Geburtstagsfeier ihres Sohnes aufkreuzen würde. Und ihr Sohn sollte keinesfalls dem Irrtum erliegen, Johannes wäre die Erfüllung seines Geburtstagswunsches.
Sie kniete sich vor Jonas und fragte sich, wie lange er wohl insgeheim schon den Wunsch nach einem Vater hatte. Warum hatte er noch nie etwas davon gesagt? Sie wollte das Thema nicht vor Johannes mit Jonas besprechen. Der Mann hatte eine zu seltsame Wirkung auf sie und ihren Körper. Sanft legte sie dem Kind die Hand auf die Schulter. „Jonas, mein Schatz, du hast einen Vater. Sein Name war Rainer Altmann.“
„Er ist tot.“ Jonas ignorierte ihren Blick und starrte den Mann hinter ihr hoffnungsvoll an.
„Ja, Jonas, er ist tot, aber er bleibt dennoch dein Vater.“ Ihr gefiel der aggressive Tonfall ihres Sohnes nicht. Sie fragte sich, ob all die Wut, die sie damals nach Rainers Tod erwartet hatte, jetzt endlich an die Oberfläche kam.
„Ich will keinen anderen Vater. Ich habe mir einen Papi gewünscht.“ Jonas nickte in Johannes Richtung. „Papis kann man haben, so viele man will.“
Ärgerlich durch die Dummheit dieser Bemerkung fragte Sanna:
„Wer hat dir denn den Blödsinn erzählt?“
„Sam George. Er hat schon vier verschiedene Papis gehabt.“
Sanna stöhnte auf. Manch einer mochte Mona ja als Expertin für Ehemänner ansehen, schließlich hatte sie schon vier gehabt,, aber sie nicht. Mona hatte eine seltsame Lebensphilosophie: Es gibt viele Männer und nur ein so kurzes Leben. Und wenn die Gerüchte stimmten, dann hatte Mona Ehemann Nummer fünf schon angepeilt.
Persönlich war es Sanna völlig egal, was Mona mit wem tat, aber sie fing an, sich um Sam und seine beiden Halbschwestern Sorgen zu machen. An ihnen zeigte sich bereits die Wirkung des instabilen Familienlebens. Sie warf einen Blick auf Sam, der gerade einen Wasserpistolenangriff auf arglose Kinder leitete, und schüttelte den Kopf. Gar kein Stiefvater wäre besser als das, was Mona ihren Kindern zumutete. Sie konnte sich nicht vorstellen, ihren Kindern etwas Ähnliches anzutun.
„Jonas.“ Sie flüsterte jetzt. „Ich denke, wir sollten später darüber reden, wenn wir alleine sind und deine Freunde nicht auf dich warten.“
Jonas starrte den Mann noch immer an, aber dann wandte er seine Aufmerksamkeit doch seiner Mutter zu und nickte. „Okay.“
„Gut.“ Sanna erhob sich wieder und nahm Johannes das Tablett mit den Brötchen ab. „Und jetzt will ich dir einen Freund von mir vorstellen, Johannes Kluger.“
Johannes trat vor und streckte die Hand aus. „Hallo, Jonas. Herzlichen Glückwunsch.“
Zögernd schüttelte Jonas die ausgestreckte Hand.
„Danke.“ Er kaute auf seiner Unterlippe, dann ließ er Johannes Hand los. „Bleiben Sie noch eine Weile hier?“
„Ja, ich habe deiner Mama versprochen zu helfen.“
„Gut.“ Jonas nickte noch einmal und verschwand dann in der Kinderhorde im Garten.
Sanna wünschte sich, der Boden würde sich auftun und sie verschlucken. Aber wie Jonas Geburtstagswunsch wurden manche Wünsche eben nie erfüllt. Sie war dazu verurteilt, die nächste Stunde in der Gesellschaft von Johannes Kluger zu verbringen, des Mannes, der in den vergangenen drei Wochen ihre Phantasien beflügelt hatte. Zum Henker, wenn sie nur phantasiert hätte, wäre das noch in den Griff zu bekommen. Aber sie hatte mehr getan, als sich vorzustellen, sie sei seine Geliebte, sie war es wirklich geworden! Wenn ihr Gedächtnis sie nicht trog, hatten sie zweimal miteinander geschlafen. Zwei himmelstürmende, erschütternde, phantastische Male.
Und ihr Gedächtnis trog sie nicht. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, und jede Einzelheit dieser Nacht trat ihr höchst lebhaft vor Augen. Seit Wochen quälten die Erinnerungen sie im Schlaf.
Sie brauchte Johannes nicht vor sich stehen zu sehen, um an die Ereignisse jener Nacht erinnert zu werden, an das, was sie geteilt hatten und nie wieder teilen würden. Jene gemeinsame Nacht war eine von diesen perfekten Märchennächten gewesen, die man von der Leinwand her kennt und die die Kinobesucher in leidenschaftliche Stimmung versetzen. Der Beginn von Romanzen.
Im kalten Licht des Tages war ihr klar geworden, dass das keinen Bestand haben konnte. Sie waren einfach nur zwei ganz normale Menschen, die Opfer einer Überdosis Hormone geworden waren.
Sie hatte vor, so etwas nicht wieder geschehen zu lassen, egal, wie groß die Versuchung sein mochte. Sie war nicht
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