Angstblüte (German Edition)
war das nur, weil Karl von Kahn Graf Lambsdorff als Garanten für die Bonität des van Gogh-Geschäfts nennen konnte.
Benedikt Loibl kaufte in Herrsching und baute. Das Hotel Kronprinz Ludwig samt den Kronprinz-Stuben gedieh. Nach drei Jahren hatte sich Benedikt Loibl im Gault Millaut fünfzehn Punkte erkocht. Er war kein Geschmacksopportunist. Er selber sagte, er sei ein Schmeichler. Er schmeichle aber, sagte er, nicht den Gästen, sondern den Gewürzen, den Gemüsen, den Filets und den Soßen und überlasse es den Speisen, seinen Gästen zu schmeicheln.
Bevor er das Restaurant in den Kronprinz-Stuben eröffnete, hospitierte er noch vier Monate in Baiersbronn bei seinen Vorbildern, den großen Meistern Harald Wohlfahrt und Jörg Sackmann. Und die Betriebsferien im November nutzte er jedes Jahr zu einer Baiersbronner Inspiration. Baiersbronn nannte er den Vatikan der Kochkunst.
Seine Ammersee-Fischsuppe hat er schon im Bayerischen Fernsehen kochen und austeilen dürfen.
Karl von Kahn hatte inzwischen begonnen, für Loibl wieder ein Depot zusammenzubauen, das aber noch keine hunderttausend erreicht hatte. Eine sehr defensive Mischung. Loibl gehörte auch deshalb zu Karls Lieblingskunden, weil bei ihm alles vorkam, was Karl als Finanzdienstleister können wollte.
Ein paarmal hatte Karl von Kahn mit Daniela im Kronprinz übernachtet. In der Kronprinzen-Suite. Benedikt Loibl hatte diese Übernachtungen besorgt ohne jede anbiedernde Vertraulichkeit. Genauso sensibel hatte sich Loibls Empfangs-Chef Graf Josef benommen. Der hatte es, weil er einem Redezwang ausgeliefert war, schwerer, die erwünschte Zurückhaltung zu praktizieren.
Vom Bahnhof hinaus und hinauf zum Kronprinz Ludwig ging Karl von Kahn immer zu Fuß. Graf Josef empfing ihn zwar nicht stumm, aber er redete so leise vor sich hin, daß man selber schuld war, wenn man etwas verstand. Er ging Karl voraus in die Karl-Theodor-Stube. Herr Strabanzer hatte schon angerufen und bestellt, Loibl erschien, Graf Josef trat fast feierlich einen Schritt zurück und entfernte sich rückwärts gehend aus der Szene. Nicht ohne durch eine seiner großbogigen Handbewegungen seinem Chef das Wort zu erteilen.
Also das neueste Loibl-Schlamassel. Loibl sagte, er nehme es hin, wenn Herr von Kahn ihn jetzt fallenlasse. Und verstummte.
Augen wie reife Kirschen, dachte Karl, und einen Mund wie eine überreife Frucht.
Loibl sagte: Mir graut vor mir. Ehrlich. Dann schob er die Akte, die er mitgebracht hatte, zu Karl hin.
Karl deutete auf den wandbeherrschenden Spruch:
Dem Wahren nur ist ewiges Bestehen,
Und immer wird das Täuschende verwehen.
Kronprinz Ludwig
Ja, sagte Loibl, der Ludwig war ein großer Dichter.
Jetzt entwickelte Loibl schnell einen ablenkenden Eifer. Er hat in Herrsching einen Verein gegründet. Einladungen geschickt an alle Seegemeinden. Ziel: Sommertheater in Herrsching. Aufgeführt werden sollen die drei Stücke, die der Kronprinz geschrieben hat, bevor er Ludwig der Erste geworden ist: Otto. Teutschlands Errettung. Conradin. Was für ein Historiker, was für ein Dramatiker. Und alle reden nur von dem spinnigen zweiten Ludwig, der Richard Wagner zu seinem Finanzminister hat machen wollen. Überhaupt waren die Wittelsbacher g’sund und g’scheit, bis die Hohenzollern-Cousine hereingeheiratet hat. Da war’s aus. Sechs uneheliche Kinder hat der Maximilian gezeugt, alle g’sund und g’scheit, und die zwei Legitimen, der spinnige Ludwig und der arme Otto.
Loibl verstummte wieder.
Karl von Kahn schlug die Akte auf und mußte sich gleich beherrschen. Dreihunderttausend hatte Loibl investiert in eine Firma, die seit Monaten in den Gazetten krankgeschrieben wurde. Das Objekt, eine kanadische Immobilie, versprach acht bis zwölf Prozent. Jetzt hatte das Unternehmen Insolvenz angemeldet. Benedikt Loibls Schuldenkonto würde sich um dreihunderttausend erhöhen. Und wer hat ihm zu dieser Investition geraten? Sein Steuerberater. Das dürfte der gar nicht, sagte Karl von Kahn.
Loibls ganzes Gesicht produzierte einen Ausdruck, den man von Märtyrerbildern her kennt. Er sagte: Ich komm mir jetzt fremd vor, ein paar Tage Flaute, die Leute bleiben weg, dann mach ich so was. Im Rausch. Im Angstrausch. Und schüttelte den Kopf wie ein Hund, der etwas loswerden will.
Ein bißchen verwunderlich finde ich, sagte Karl von Kahn, daß ein Mensch, der in der Wirtschaft tätig ist, zu dieser Firma rät. Stand doch letzte Woche noch in der Zeitung: Scheitert die Suche nach
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