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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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neuen Geschäftsführern, müssen die Anleger mit ihrem gesamten Vermögen haften.
    Benedikt Loibl stieß einen Schmerzlaut aus, als habe der Folterknecht die Schraube um eine Umdrehung tiefer gedreht.
    Das Neugeschäft der Firma ist im vergangenen Jahr weggebrochen, also konnten die Mietgarantien nicht mehr eingehalten werden.
    Stimmt, sagte Benedikt Loibl.
    Karl von Kahn sah in den Papieren, daß die Anleger zu einer Hauptversammlung eingeladen waren. Im Méridien- Hotel. Er ließ Loibl die Vollmacht unterschreiben. Wie gesagt: In jedem Sturz steckt ein Start. Noch sei die Immobilie da. In Kanada. Der Markt für kanadische Immobilien sei im Kern gesund. Wahrscheinlich müsse man dort einen Interessenten finden, der etwas anfangen könne mit dieser Immobilie, die ja doch 25 Millionen Kanada-Dollars wert sein soll. Immobilien könnten zeitweilig unrentabel sein, aber ihre Substanz sei dauerhaft, wenn man sich nicht zu Notverkäufen zwingen lassen müsse. Und jetzt schalten wir um. Was essen wir heute?
    Weil jeder Sturz ein Start ist, sagte Loibl, gibt es, was es heute gibt, zum ersten Mal. Er legte seine cremefarbene, sehr handliche Speisekarte vor Karl hin. Darauf stand in Benedikts eigener Handschrift, die gar nicht extra schön daherkam, sondern eher schwungvoll melancholisch: Mein Kleines Degustations-Menu. Und Klein hatte er groß geschrieben.
    Karl überflog die Karte und sagte: Benedikt, Sie sind ein Schwärmer. Pochiertes Ei mit Karamelkruste!
    Vier Stunden lang pochiert das Ei, sagte Loibl, bei fünfundsiebzig Grad.
    Kürbisblüte im Fenchelsud mit Ingwer, las Karl.
    Wenn Sie’s vorlesen, schmeckt es noch mal so gut, sagte Loibl.
    Karl las weiter: Involtini von der Äsche mit Pata Negra, Grissini und Pistaziengnocchi.
    Sie sollte man in allen Stuben als Vorleser haben, sagte Loibl.
    Karl las: Lammcarré an Rosmarinjus mit Thymianpolenta und Chalotten.
    Und zum Beschluß, rief Loibl, jetzt deutlich mitgerissen von seinen Schöpfungen.
    Zum Beschluß, stimmte Karl von Kahn ein, Tarte Tatin mit Sauerrahmschnee à la Pierre Lingelser, mit Calvadosbonbon und zweierlei Apfelsorten.
    Karl stand auf und drückte Loibl die Hand. Der nahm Karls Hand in seine Hände und hielt sie so, wie sie seit Berthold Brauchs Einstand niemand mehr gehalten hatte. Seine Kirschaugen waren feucht.
    Karl sagte: Das mit der Haftung mit dem gesamten Vermögen ist Einschüchterungstheater. Ich freue mich auf Ihre Uraufführungen.
    Da wird ein Bund geschlossen, sagte von der Tür her Theodor Strabanzer.
    Benedikt Loibl verneigte sich und sagte: Buenas tardes, señor Resischör. Dann wandte er sich der jungen Begleiterin zu: Mein Haus freut sich, wenn Sie eintreten. Und ich mich auch.
    Da schau her, sagte Herr Strabanzer.
    An der Tür drehte sich Benedikt Loibl noch einmal um, zeigte ein lachendes Gesicht, ohne daß er lachte, deutete auf Karl von Kahn und sagte eher leise: Mein Retter.
    Jetzt ging er.
    Süß, sagte die junge Frau. Und meinte Loibl.
    Sie hatte recht. Von den dunkelbraunen, ein wenig gewellten Haaren bis zum sanft gerundeten Kinn ein Kind, das immer ein Kind sein wird. Dachte Karl. Wieder für Benedikt Loibl tätig werden, das belebte ihn.
    Joni, das ist Herr von Kahn, der laut Amadeus Stengl noch nie etwas Falsches finanziert hat. Oder hat er gesagt: Noch nie etwas falsch finanziert hat. Ich bin immun gegen das, worauf es ankommt. Hahaha.
    Diese Lachimitation war erstaunlich leise.
    Sie hieß also Joni. Karl dachte: Das ist die Fortsetzung Benedikts mit anderen Mitteln. Zehn Jahre jünger. Das blondeste Blond so ums Gesicht verschleudert, daß Karl Helens immer den Kopf genau nachzeichnendes Blond einfiel. Angesichts dieses Haarzerwürfnisses fragte man sich, da Kamm und Bürste das nicht bewirkt haben konnten, wie diese schöne Unordnung zustande gekommen sein mochte. Auf das Gesicht kam es vorerst nicht an. In hellstem Champagnergold ein Kleid, nein, kein Kleid, ein feiner, gleißender Fetzen, der schwang sich von der rechten Hüfte als rüschenbesetzter Bogen zum linken Knie hinab, darunter dasselbe Kleid, überall in Rüschen endend. Zuerst soll man also denken: Schaut her, ich hab mir einen Fetzen übergeworfen. Dann begreift man, da ist alle Kunst aufgewendet, einen schludrigen Eindruck zu produzieren. Aber dieser am Körper haftende Fetzen war nicht die Hauptsache. Die Hauptsache wurde offen, halboffen ausgestellt. Die Brüste. Halb standen sie dem Kleid zur Verfügung, halb der Öffentlichkeit. Nichts konnte

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