Angstblüte (German Edition)
böse. Sobald die Finanzierung steht, nimmt dir der DVD-Wichser noch schnell die Hälfte ab für nichts als eine Zukunftsgaukelei. Aber es gibt doch Medien-Fonds, nicht wahr! Wir kommen zur Sache. Wenn man dem Bundesfinanzministerium vormacht, der Kapitalist dürfe ins Buch dreinreden, dann darf der seinen Obolus von der Steuer abziehen. Das ist die Zahnarztvariante à la mode. Die Fonds-Haie schnappen Geld natürlich am liebsten für Hollywood. Beispiel Monster . Billig-Thriller. In USA zweieinhalb Millionen DVDs. In Deutschland zweihundertsechsundsechzigtausend! Charlize Theron greift zur Pistole, als wär’s ein Stück von mir. Oder von dir. Bär, Globe, Oscar! Beute! Weltweit einhundertfünfzig Millionen. Was Hollywood kassiert, nennt man den Löwenanteil. Frage: Wollen Sie meinen nächsten Film finanzieren? Die Materie muß klingen, meine mit Ihrer. Ich bitte Sie, mich samuraimäßig zu mustern und ja zu sagen oder nein. Aus mir tönt, das sage ich unverlangt dazu, das größte Instinktdesaster meiner Laufbahn. Nach neun Jahren Intimstkooperation haut Partner Patrick ab. Hat zwei Millionen ins schönste Südfrankreich geschafft, dort sind sie verschwunden. Patrick kommt zurück, sitzt in seinem Rollstuhl, unansprechbar. Ich schalte um auf Humanfrequenz, fange an mit ganz lieben Fragen, wie ist das Klima in Saint-Tropez. Da sagt Patrick, ohne daß er aufhörte, aus dem Fenster zu starren, deutlich nur zu seinem Anwalt: Wie kann man mir, der ich gerade einen Selbstmordversuch hinter mir habe, solche Fragen stellen.
Sein Anwalt erklärte, Patrick sei mit dem Messer auf seine Frau losgegangen, weil sie das von ihm gekochte Linsengericht abgelehnt hat. Drei Monate Klapsmühle. Ob er Strabanzer noch kennt, ist unklar. Sein Anwalt: Er will alles wiedergutmachen. Wurde erpreßt. Er hat Zungenkrebs. Die Beule an seiner Stirn stammt nicht von einem Streit mit seiner Frau, er ist von diesem Scheißrollstuhl gekippt. Die Rollstühle werden jedes Jahr riskanter. Strabanzers Anwalt winkt ab. Keine Chance. Wenn Patrick sich auf die Zunge beißt, hat er nachher Zungenkrebs. Aufgeben. Wenn wir das neue Jahr ohne die zwei Millionen erreichen, haben wir’s geschafft … So läuft das, lief das. Strabanzer ging hin zu dem, der nur noch aus dem Fenster starrte, streichelte ihn und sagte: Armes Schwein. Als Patrick auch darauf nicht reagierte, drehte sich Strabanzer um und verließ das Zimmer wie Napoleon das Schlachtfeld von Waterloo. Wird gebucht unter Instinktdesaster. Ende.
Jetzt wurde einträchtig geschwiegen.
Strabanzer sagte: Daß im nächsten Projekt Joni die Großfigur abgibt, versteht sich. Als beste Nebenfigur nominiert, lechzt sie jetzt nach der Hauptfigur. Wie sie von mir entdeckt worden ist, das erzählt der Film, den wir, wenn Sie mitmachen, drehen wollen. Womit meine Ästhetik auf dem Tisch liegt. Immer am Leben entlang. Also. Erste Einstellung auf dem … was ist Ihre Necropolis favorita?
Karl war selber überrascht, daß er blitzschnell Nordfriedhof sagen konnte.
Rein jahrgangsmäßig, sagte Strabanzer ungerührt, seh ich Sie ruhige Lagen suchen, also nehmen wir, daß Sie mitdenken können, Ihren Lieblings-Cementerio, da wird Benno Brauer beerdigt. Da, wo er wirklich beerdigt wurde, können wir sowieso nicht drehen. Hat bei mir bedeutend mitgewirkt in meinem nicht unbedeutenden Frühwerk Der Tod des Fotografen. Gesehen?
Das fragte er so jäh, so scharf, daß Karl von Kahn unwillkürlich nickte.
Gut, sagte Strabanzer, der offenbar, wenn eine Mitteilung ihm lieb war, nicht so genau prüfte, wieviel Wahrheit sie enthielt. Daß er sich jetzt an sein Frühwerk erinnerte, riß ihn hin. Sein erster Film. Karl von Kahn möge, bitte, von diesem Frühwerk nicht die hinterfotzigen Feinheiten der späteren Strabanzerfilme erwarten. Der substanzreichste Krimi aller Zeiten sei dieser Film trotz aller Tollpatschigkeiten. Bitte, die normalen Krimikonstruktionen dienen doch immer nur dem banalen Spannungseffekt. An sich sind sie wertlos. Auch bei Herrn Hitchcock. Von ein paar eher haarsträubenden Politikanleihen abgesehen. Dagegen sein Krimi. Kein Kommissar kann dem Mörder des Fotografen auf die Spur kommen. Kein Motiv ist vorstellbar. Dann meldet sich endlich das Mädchen, das dem Fotografen das Archivieren besorgte. Sagt, daß sie erschrocken ist, als sie diese Bilder sah, die einzigen Bilder eines toten Menschen im ganzen Archiv, die Bilder einer toten Frau, einer toten Mutter. Der Rest ist simple Einfühlung. Es
Weitere Kostenlose Bücher