Angstblüte (German Edition)
falls Sie mich auf die lange Bank schieben, nicht noch einmal aufkreuze bei Ihnen. Ich gehöre zum Stamm der Gnadenlosen. Jetzt verband sie.
Es meldete sich Theodor Strabanzer. Karl hatte das Gefühl, der genieße seinen Namen, wenn er ihn aussprach. Er sprach viel lauter, als man es am Telefon erwartet. Schon gar nicht bei der bloßen Namensnennung.
Sehr gut, maravilloso, daß Sie al instante reagieren, rief Herr Strabanzer, so muß es gehen, samuraisch knapp. Sein alter Freund, die Exzellenz Stengl, habe ihm gesagt, der einzige, dem er es gönne, an einem so rasend schönen Projekt finanzierend mitmachen zu dürfen, sei Herr von Kahn. Und seinem alten Freund Amadeus traue er wie der Schlüssel dem Loch.
Karl merkte, daß Herr Strabanzer glaubte, Karl von Kahn müsse ihn kennen.
Welche seiner Filme Herr von Kahn gesehen habe, sei im Augenblick nicht wichtig, sagte Herr Strabanzer. Egal, wie diese Filme angekommen oder nicht angekommen seien, sie seien leider alle gleich gut. Manchmal frage er sich, wie lange er noch so tun solle, als wisse er nicht, daß er der Beste sei. Egal, jetzt steht er kurz vor seinem bisher steilsten und geilsten Projekt und hat, weil ein armes Schwein sein Vertrauen mißbraucht und ihn hereingelegt hat, noch Platz für einen Investor, der sich schnell mal dusselig verdienen möchte.
Karl wußte natürlich, daß er in den Besitzer dieser um sich schlagenden Stimme keinen Euro investieren werde, aber er hörte sich sagen, daß er ab sechs Uhr im Kronprinz Ludwig in Herrsching zu sprechen sei.
Herr Strabanzer schrie geradezu auf. Beim Benedikt im Kronprinz, mein Herr, Zufälle gibt es nicht. Wenn man mal sein eigenes Netzwerk entdeckt hat, gibt es keinen Fehltritt mehr. Dem Wahren nur ist ewiges Bestehen, Und immer wird das Täuschende verwehen.
Jetzt mußte Karl die Stimme auch anheben. Karl-Theodor-Stube, sagte er.
Meine Stube, rief der. Falls Sie mich allerdings aus Versehen oder absichtlich Theo nennen, darf unsere Beziehung als beendet gelten.
Also um sechs, sagte Karl.
In der Karl-Theodor-Stube, rief der andere.
Daß der Immerlaute im Kronprinz Ludwig die Stuben kannte und sogar den Wandspruch der Karl-Theodor-Stube aufsagen konnte, milderte die Abneigung, die sich gebildet hatte, als dessen Suada ihm ins Ohr geprasselt war. Daß einer alles, was er sagt, immer gleich laut sagt, ist interessant. Und wieder eine Amadeus-Stengl-Empfehlung! Mit wem war der eigentlich nicht befreundet! Netzwerk!
Helen war den ganzen Nachmittag in Klausur. So nannte sie es, wenn der Erfolg davon abhing, daß sie ihre Klienten oder Patienten keine Sekunde lang aus den Augen ließ. Heute war es ein Paar, das keines mehr war. Die Anwälte hatten die Scheidung unterschriftsfertig gemacht, Helen behauptete, diese Scheidung wäre ein grotesker Irrtum, dieses Paar sei noch ein Paar. Das wollte sie dem Paar, das keines mehr sein wollte, erklären, beweisen. Helen kämpfte wieder einmal um eine Ehe, als hinge das Schicksal der ganzen Welt davon ab, daß diese Ehe weiter bestehe. Helen, die glücklich Geschiedene und verheiratet mit einem genauso glücklich Geschiedenen, sagte, jede Ehe, die länger als zehn Jahre gedauert habe, sei zu retten.
Er teilte ihr auf der Mobilbox mit, daß er zwei Verabredungen in Herrsching habe. Bei Benedikt Loibl. Es werde sicher nicht spät. Essen werde er bei Benedikt, der wieder ein benediktinisches Schlamassel angerichtet habe, aber als Koch mache er mehr gut, als er geschäftlich vermasseln könne. Bis später, mein Liebes, sagte er und hauchte noch eine Art Kuß nach.
Dann noch Daniela. Da benutzte er kaltblütig den schlimmen Tod seines Bruders. Es war eine Sauerei, Ereweins Tod so zu benutzen. Ach ja, laß bloß keine Gelegenheit aus, dir Vorwürfe zu machen. Wie sagte Diego spät in der Nacht: Genauigkeit darf schon sein. Erewein ist doch anwesend.
Auch wenn er nicht an den Bruder dachte, sah er sich jetzt in einer Distanz zu allem, was er tat, und diese Distanz mußte durch Ereweins Tod entstanden sein. Als sei er durch Ereweins Tod ein anderer geworden. Zwar immer noch der, der er gewesen war, aber als der weiter weg von allem. Er konnte sich Ereweins Sätze nicht zu eigen machen, aber er verstand sie. Er mußte Ereweins Sätze aufnehmen in seine Empfindungen. Das war keine ganz neue Erfahrung: In ihm stritt sich, was sich widersprach, nicht. Einträchtig bestanden in ihm die Gegensätze. Und verlangten keine Schlichtung. Er sah sich als ein Parlament, in dem er
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