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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Wilhelmprotz, Hitlerwahn, Ereweinelend. Das Lebensdurcheinander. Im Katastrophenschutt und -dreck die Götzenbilder.
    Helen sagte noch einmal: Dieser ruhige Mensch. Sie müsse sich vorwerfen, daß sie, was jetzt passiert sei, nicht für möglich gehalten habe.
    Karl sagte: Das ist immer so.

Zwei

1.
    Frau Lenneweit fragte, ob sie durchstellen solle, Graf Josef sei am Apparat. Frau Lenneweit wußte so gut wie Karl, daß Graf Josef anrufen würde, bis er Karl von Kahn erreichte, also sagte er: Bringen wir’s hinter uns. Graf Josef rief immer für Benedikt Loibl an, immer um zu melden, was Loibl jetzt wieder angerichtet hatte. In der Firma hießen Graf Josef und Benedikt Loibl: Unsere Laienschauspieler.
    Karl war jedesmal überrascht, was Graf Josef sich zur Dringlichmachung seines Anliegens wieder hatte einfallen lassen. Heute meldete Graf Josef: Er habe Benedikt Loibl auf der Liegewiese gefunden, ohnmächtig, Cognac, die leere Flasche neben ihm im Gras. Als es Graf Josef gelungen war, Loibl mit besonders sanften Ohrfeigen aus dem Koma zurückzurufen, erfuhr er: Benedikt Loibl hat Herrn von Kahn betrogen. Ist ihm regelrecht untreu geworden. Daß er seinen Retter und Gönner betrogen hat, das verzeihe ihm, wer wolle, er verzeihe es sich nicht. Da geschieht es ihm gerade recht, daß er bestraft wird jetzt, dreihunderttausend sind weg. Eine Immobilie und dann Insolvenz, er sieht keinen Cent mehr von dem Geld und hat, was er da investiert hat, doch gar nicht gehabt, das hat er geliehen. Ein paar Tage flau, das Wetter auch nichts, der Umsatz sackt ab, jetzt geht’s los, denkt er, jetzt aber schnell, und da bietet sich, bietet ihm der Steuerberater diese Immobilie. Wenn Herr von Kahn es über sich brächte und käme, verlangen kann er’s nicht, bei Gott, das weiß er. Und weinte und schniefte und schneuzte sich. Und er, Graf Josef, hat den Benedikt Loibl, der ja sein Chef ist, so schnell wie möglich durch den Hintergang ins Haus und ins Büro schleppen müssen. Hätte ein Hotelgast den Chef in diesem Zustand gesehen, hätte der das Verkehrsamt angerufen, die Konzession wär weg. Jetzt hocke er auf seinem Bürostuhl, den Kopf auf dem Schreibtisch. Wenn Graf Josef sage, Chef, was ist jetzt?, murmle der immer wieder nur den gleichen Satz: Ich muß erwachsen werden, endlich. Immer bloß das. Graf Josef habe ihm ins Ohr gerufen, ob er Herrn von Kahn verständigen solle. Da habe der Chef sich aufgerichtet und habe den ersten klaren Satz klar ausgesprochen: Graf Josef, ja, aber sag Herrn von Kahn, wie ich mich genier.
    Karl sagte seinen Spruch für solche Fälle: In jedem Sturz steckt ein Start. Den finden wir. Um fünf bin ich bei euch. Bei Frau Lenneweit bestellte er ein Vollmacht-Formular.
    Dr.   Herzig kam aus seinem Zimmer, war wie immer in Eile, er fährt nach Frankfurt, dort ist morgen Medtech Day . Der Early Stage-Markt blüht, sagte er, die berührungsfreie Meßtechnik wird ein Renner. Oh, sagte er, stellte die Tasche ab, ging noch einmal in sein Zimmer, kam mit einem Blatt zurück, da habe er doch einen Spruch vom Hausheiligen der Firma, als Zitat der Woche für die nächste Kunden-Post . Hören Sie, bitte, Carla – er nannte Frau Lenneweit Carla, sie ihn Dirk –, den Spruch unseres Hausheiligen zum heutigen Tage. Also, spricht Warren Buffett: It’s not that I want Money. It’s the fun of making it and watching it grow.
    Karl fragte: Was sagen unsere Damen dazu?
    Frau Lenneweit in Einserschülerin-Schnelligkeit: Ja, lieber Dirk, mit dem Spruch haben wir im Oktober 1995 unsere Kunden-Post eröffnet.
    Frau Leuthold, satirisch: Da war ich noch im Kindergarten.
    Karl sagte, er finde es sympathisch, daß Dr.   Dirk den Hausheiligen gelten lasse.
    Herr Brauch sagte von seiner Tür her: Vielleicht sogar in der Praxis, wer weiß.
    Muß ich da einen kritischen Unterton heraushören, sagte Dr.   Dirk.
    Nie ohne den Oberton der Bewunderung, sagte Herr Brauch.
    Dr.   Dirk mußte jetzt wirklich gehen.
    Karl von Kahn dachte an die Kunden-Post- Nummer, in der er über Mr.   Buffett einen verehrungsvollen Artikel geschrieben hatte, mit Bild. Insgeheim hatte er gehofft, daß jemand bemerke, wie er Mr.   Buffett gleichsehe. Aber weder einem Kunden noch einem Mitarbeiter, noch Helen war diese Ähnlichkeit aufgefallen.
    Frau Lenneweit mahnte: Sie hat einem, der eine arg laute Stimme hat, versprochen, daß er, sobald Herr von Kahn frei sei, zurückgerufen werde. Darauf hat dieser Laute gesagt: Aber glauben Sie nicht, daß ich,

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