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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Griff hatte, ist völlig unklar! Mehr als fünfzig Prozent aller Porschefahrer sind älter als sechzig. Ja, wo simmer denn! Noch lassen wir die toten Saurier für uns arbeiten. Aber dann? Dann die Eiszeit. Nur noch Greise, nur noch Eis. Die Eisgreis-Geschichte. Unsterblichkeit am Stiel. Wie soll einer, der das noch nicht gedreht hat, schlafen! Unsere für immer aufblühende Joni fragt, warum Theodor Strabanzer, gebürtig aus Tirol, erzogen in Barcelona, ein Diener der europäischen Vielfältigkeitsruine, warum der täglich fünfundzwanzig Stunden malocht! Weil ihm, was er erlebt, seinen nicht unbeträchtlichen Hals schnürt. Soll er denn als Hauptwerk einen Projekte-Friedhof hinterlassen? Wer, wenn nicht er, muß das Tabu brechen, das schärfste, absoluteste Tabu, das heute alle Darsteller beherrscht, dem sie alle bis zur Bewußtlosigkeit dienen! Die Eisgreis-Geschichte wird der erste Film, in dem nicht gefickt wird. Das Tabu kommandiert: Wo Menschen miteinander zu tun haben, muß gefickt werden. Wer nicht ficken läßt, kommt nicht in Frage. Theodor Strabanzer wird das Tabu brechen. In der Eisgreis-Geschichte wird nicht gefickt. Der Zwang, Fickende darzustellen, ist der gemeinste Zwang überhaupt. Sobald im Studio Ficken imitiert wird, wird es Theodor Strabanzer jedesmal schlecht. Sogar Kubrick macht am Ende den Kniefall vor dem Tabu und läßt ficken. Eyes Wide Shut. Stutenpornographie. Man stelle sich vor, was Buñuel gesagt hätte, wenn er diesen Gestütsfick en gros gesehen hätte. Sexualmilitarismus. Wie das Tabu es befiehlt. Diese Verlogenheit wird nur noch übertroffen, wenn das Sterben imitiert wird. Er möchte Filme machen, in denen nicht gefickt und nicht gestorben wird. Daß er damit sich selber erledigt, weiß er. Im Othello-Projekt wird noch gefickt und gestorben, wie das Tabu es befiehlt. Ihn kotzt es heute schon an, dieses Imitat zu inszenieren. Das Othello-Projekt ist nichts als die Verhinderung des uns Aufgegebenen. Heiliger Buñuel, sei uns gnädig! Ich scheiß auf das Othello-Projekt .
    Jetzt weinte er. Karl von Kahn und Joni hatten zusammen höchstens eine Flasche Rioja getrunken.
    Strabanzer flüsterte: Kennt ihr das? Wie wenn du im Atlantik einen Mittschiffstorpedo kriegst. Mich nicht falsch verstehen. Der tabugeschützte Fickbefehl ist eine Kunstsünde. Moral ist mir so egal wie Mode. Obszön ist nicht, was da vorgeführt wird. Die tun ja nicht wirklich was. Aber wir, christlich verkrüppelt, machen daraus die Saumäßigkeit.
    Karl von Kahn: Das hat auch was.
    Strabanzer: Nachmache. Das ist die Todsünde. Kunst macht nicht nach. Kunst macht.
    Karl von Kahn: Ich liebe das Nachgemachte.
    Joni: Ich auch.
    Strabanzer: Hollywood, die Glücksschmiede!
    Joni: Wenn’s doch sonst keins gibt.
    Strabanzer: Das Unglück gibt es. Obwohl es kein Glück gibt.
    Joni: Den Teufel gibt es, obwohl es Gott nicht gibt.
    Karl von Kahn: Es gibt den Verlust, obwohl es keinen Gewinn gibt.
    Strabanzer: Den Tod gibt es. Obwohl es kein Leben gibt.
    Joni: Ach.
    Karl von Kahn: Oh.
    Strabanzer: Ich trinke nur noch auf den Rioja.
    Joni: Ich trinke nur noch auf den, der auf den Rioja trinkt.
    Karl von Kahn: Ich trinke nur noch auf die, die auf den trinkt, der nur noch auf den Rioja trinkt.
    Joni: Ich liebe euch.
    Strabanzer: Othello wird ein Scheißfilm.
    Joni: Darauf trinken wir auch. Und zu Karl von Kahn sagte sie: Das ist normal. Der nächste Film, der, der jetzt gedreht werden muß, ist nichts als der letzte Dreck. Nachher, wenn der Film in der Welt ist, bringt Theodor jeden um, der in diesem Film auch nur eine einzige schwache Einstellung entdeckt.
    Ich bin Tiroler, sagte Strabanzer wieder vor sich hin. Vergeßt das nie.
    Ich bin keine Tirolerin, sagte Joni, bitte vergeßt das schnell.
    Ich bin Tiroler und Katalane, sagte Strabanzer.
    Du bist alles, sagte Joni.
    Ausgenommen Hollywood, sagte Strabanzer. Los, Joni-Mausi, blättere unserem Finanzminister mein Hauptwerk hin, den Film aller Filme.
    Joni sagte, eine Gehorsame parodierend, aber doch gehorsam: Randvoll. Theodor Strabanzers Spät-, Schluß- und Gipfelwerk. Ein Mann muß, um sich vollends zu entfalten, seine Frau töten. Das mißlingt ihm. Ihn kostet es ein Bein, die Frau eine verbrannte Gesichtshälfte. Also verläßt ihn die junge Geliebte, um derentwillen alles geschah. Sie heiratet den Gynäkologen. Der Mann und die Frau live happily ever after. Das zeigt der Film ausführlich: Wie die zusammenleben. Idylle.
    Und was wird das dann für ein Film, sagte

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