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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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oder J anfangen. Ganz schöne Allüren, die junge Ruhrgebieterin.
    Alles paletti, sagte Joni, ein Sechzigjähriger jagt Irina …
    Strabanzer: Jagt Kußmäulchen.
    Joni: Jagt Irina Kußmäulchen einem Siebzigjährigen ab. Kaum hat er Irina, wird sie ihm von einem Fünfzigjährigen abgejagt. Alle drei sind Künstler, alle drei produzieren eine Kunst, an die sie selber nicht glauben, aber ihr Leben hängt davon ab, daß sie der Welt einreden, sie glaubten an ihre Kunst. Ihre Angst, entlarvt zu werden, ist die Quelle ihrer Energie und ihrer Phantasie. Bei Irina ist jeder der drei ein großer Macher. Dafür hat sie zu sorgen. Sie muß die großreden. Ihnen ein Selbstbewußtsein einflößen, das sie selber nicht hat. Die Frauen der drei Herren sind die guten Rollen, ich bin Kußmäulchen.
    Strabanzer: Undankbarkeit, dein Name ist Joni. Immerhin nominiert für die beste weibliche Nebenrolle.
    Joni sagte: Sie kriegen eine DVD.
    Aber Strabanzer: Kriegt er nicht. Der Film ist Kino. Wenn Herr von Kahn sich dafür interessiert, geht er ins Kino, wenn nicht, dann nicht. Pasing, Lichtburg. Ende.
    Das war einmal, sagte Joni, abgesetzt.
    Strabanzer, höhnisch, also weniger schnarrend als beißend: Ich wette das Nachtgeschirr meiner Großmutter gegen die Krone der englischen Königin, daß da jetzt der Apokalypsen-Kitsch à la Hollywood läuft. Und läuft und läuft. Immer randvoll, hahaha.
    Sie kriegen die DVD, sagte Joni.
    Gibt es Lieblingsfilme, fragte Strabanzer.
    Film war bei mir dran bis zum Dreißigsten, sagte Karl.
    Oh, sagte Strabanzer, bis zum Dreißigsten!
    Fernsehen aber schon, fragte Joni.
    Zu Gast bei Gundi , sagte Karl und war froh, endlich etwas bieten zu können.
    Oh, sagte Strabanzer, die Edelschnulze selbst. Die verlogenste Schnulze hasta la fecha.
    Theodor, sagte Joni, schone unseren Gast.
    Wo simmer denn, rief Strabanzer, daß ich nicht sagen darf, was ich weiß. Verlogen, sage ich. Echtes Art déco, ja! Im Fernsehen! Auf dem Bildschirm ist das echte Supersofa genauso echt, wie der, der auf dem Bildschirm ermordet wird, tot ist.
    Ich liebe das Nachgemachte, sagte Karl und tat so bescheiden, wie man tut, wenn man das, was man sagt, einfach für unwiderlegbar hält.
    Strabanzer nickte und blieb so lange stumm, wie er es am ganzen Abend noch nicht gewesen war. Und sagte: Dann sind Sie beim Fernsehen richtig. Joni, zahlen wir, gehen wir, hier sind wir falsch.
    Joni sagte: Du tickst falsch, das ist alles. Hör auf mit deinem Missionarismus.
    Sie gibt’s mir, sagte er zu Karl von Kahn.
    Der spürte, daß er jetzt einen Beitrag zur Fortsetzbarkeit des Gesprächs zu leisten hatte.
    Also sagte er, sein letztes Filmerlebnis sei Dinner at Eight gewesen.
    Na endlich, rief Strabanzer. Das war noch ein amerikanischer Film. Feinster George Cukor.
    Jean Harlow, sagte Joni, die Göttin pur.
    Strabanzer sagte: Und erzählt radikal Ihre Branche.
    Wirtschaft als Handlung, sagte Karl. Bei uns nicht denkbar.
    Joni: Warten Sie’s ab.
    Wenn es sich macht, sagte Strabanzer, kassiert Amadeus eine schicke Provision.
    Karl wußte nicht, ob das eine witzige Bemerkung war oder der Hinweis auf eine Abmachung. Zu fragen wagte er nicht. Das war die kulturelle Fraktion! Da wußte er nie, ob er, was er nicht wußte, erfragen konnte.
    Aber Strabanzer redete schon weiter. Der schönste Spruch unseres sprüchereichen Amadeus ist und bleibt: I mecht bloß wissen, vo wos i leb! Eine philosophistische Satzperle.
    Karl fragte höflichkeitshalber, ob er das Othello-Projekt noch näher kennenlernen könne. Er fragte nicht Strabanzer, sondern Joni.
    Aber Strabanzer antwortete: Herr von Kahn müsse sich aufgefordert fühlen mitzuwirken. Nur dann seien seine Investitionen und Renditen steuerbegünstigt. Sein Rudi-Rudij werde, wenn Herr von Kahn anbeiße, einen fiktionalrealen Film-Entwurf hinlegen, der die Fiskuswichser blende wie die G-9-Blendgranate die RAF-Buben in Mogadischu.
    Ich bin gespannt, sagte Karl von Kahn.
    Ich auch, sagte Joni und sah Karl von Kahn direkt und länger als nötig ins Gesicht. War das ein forschender Blick?
    Strabanzer sagte deutlich zu Joni: Es reicht.
    In diesem Stadium, sagte Joni, teilt Theodor Strabanzer immer mit, Rossini habe den Barbier von Sevilla in vierzehn Tagen geschrieben.
    Stimmt, sagte Strabanzer, dann zu Karl hin: Sobald das Othello-Projekt im Kasten ist, kommt das Projekt der Projekte, Die Eisgreis-Geschichte ! Jeden Tag in der Zeitung, Rentner rammt sechs Autos. Wieso der Rentner seinen Porsche nicht mehr im

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