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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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was du jetzt bringst, ist nichts als ein Ablenkmanöver.
    Joni: Wart’s ab.
    Karl: Kurt …?
    Joni: Kurt Jetter.
    Karl: Oh! Verwandtschaft.
    Joni: Der Vater.
    Karl: Sogar.
    Joni: Kurt Jetter hat sich nicht zu Tode gesoffen, aber zu Tode geraucht. Wenn du mir das Rauchen abgewöhnst, heirate ich dich. Kurt war Polizeireporter. Im Ruhrpott. Wenn du das, was ich dir sage, weitersagst, kriegt meine Mutter keine Rente mehr. Er wollte nie Vater genannt werden. Immer Kurt. Er ist Polizeireporter geworden, hat er gesagt, weil er nichts mit Politik zu tun haben wollte. Politik, hat er immer gesagt, bah, was ist das langweilig! Journalist sei er geworden, um Geld zu verdienen, er wollte nicht die Welt verbessern. Und war beliebt und eifrig, in die Kantine immer im Laufschritt. Dann ein neuer Chef. Kurt nannte ihn: Der Erlöser. Zuerst ging alles gut. Dann die Reportage über eine Polin, die in einer Unterführung von drei Schwarzafrikanern belästigt wurde, sich wehrte, dann blutend am Boden lag. Der Erlöser strich Schwarzafrikaner, Männer reicht. Er war Altachtundsechziger. Ziemlich fett für einen Erlöser, fand der magere Kurt. Der Erlöser war Nichtraucher. Das Klima änderte sich. Man wußte jetzt, was man nicht sagen sollte. Dann erhängt sich ein Asylbewerber im Asylantenheim. Der Vorfall wird zuerst als ein Vorfall gehandelt gegen die Asyl-Politik der Christdemokraten. Dann recherchiert Kurt, entdeckt im Büro der Anwältin dieses Asylanten, daß sie dem irrtümlich eine Mitteilung gemacht hat, die gar nicht für ihn bestimmt war, darauf erhängte sich der. Das Büro der Anwältin, ein totales Chaos. Die Anwältin, eine Grüne. Das nimmt der Erlöser Kurt übel. Dann ersticht ein Inder seine deutsche Gefährtin. Sie ist schwanger, auf einer Fete sagt sie, sie habe abgetrieben. Es stellt sich heraus, daß sie nicht abgetrieben hat. Der Inder hat ihr keine Chance gegeben, das zu sagen. Dann wird ein türkisches Mädchen von ihrem Vater erschossen, weil sie einen deutschen Jungen gebeten hat, ihr beim Tapezieren ihres Zimmers zu helfen. Der Erlöser hat die Redaktion inzwischen so umgestimmt, daß eine Liste produziert wird, aus der sich ergibt, daß in Kurts Berichten die Täter häufig Ausländer sind. Kurt wird zum Erlöser bestellt, der hat auf seinem Schreibtisch einen Papierstapel, alles Beschwerdebriefe über Kurts Artikel, zeigen darf er ihm die nicht. Kurt erfährt, er werde für einen Rechtsextremisten gehalten. Er fragt den Erlöser, ob der ihn auch für so etwas halte. Nein, aber Kurt schreibe eben ziemlich schlecht. Von jetzt an werden Volontäre beauftragt, Kurts Artikel zu verbessern. Oft genug wird er von denen nachts angerufen, weil sie nicht wissen, was sie verbessern sollen. Schließlich die Versetzung in die Reiseredaktion. Aber er darf nicht reisen, nur Meldungen redigieren. Er prozessiert. Und gewinnt. Er ist laut Gerichtsurteil wieder als Polizeireporter zu beschäftigen. Ein halbes Dutzend Prozesse vor dem Arbeitsgericht gewinnt er. Sie müssen ihn schreiben lassen, aber kein Gerichtsurteil kann erzwingen, daß sie drucken, was er schreibt. Ein Freund aus der Sportredaktion warnt ihn. Die wollen ihn loswerden. Er soll sich als Kandidat für die Betriebsratswahl aufstellen lassen. Tut er. Damit ist er sofort für ein Jahr unkündbar. Und hält eine große Rede über die Neigung hochentwickelter Gesellschaften, zurückzufallen in vorzivilisatorische Stadien. Wird gewählt. Hört, der Erlöser habe ihn rechtsextrem genannt, schreibt dem einen Brief. Und erhält wegen Beleidigung die fristlose Kündigung und Hausverbot. Die Kündigung müssen sie zurücknehmen. Das Hausverbot bleibt. Jetzt dreht er hohl. Er verdächtigt seinen Freund in der Sportredaktion, ihn beim Erlöser denunziert zu haben, um selber in dessen Redaktion zu kommen. Je mehr sie ihm zusetzen, desto mehr raucht er. Die Mutter weint und schreit und flucht, weiß sich nicht mehr zu helfen. Er schlägt sie. Sie ruft die Psychiatrie an. Er kommt in die Anstalt. Geschlossene Abteilung. Selbstmordgefährdet. Er kann Feind und Freund nicht mehr unterscheiden. Eines Tages legt sich dort eine Hand auf seine Schulter. Der Erlöser. Er ist auch in dieser Abteilung untergebracht. Oh, sagt Kurt. Aber als er erfährt, daß der Erlöser hier ist, weil er sich selbstmordgefährdet aufführte, um nicht gefeuert zu werden, versöhnt er sich mit ihm. Der Erlöser war bei der obersten Konzernspitze denunziert worden, denunziert von einem Mitarbeiter,

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