Angstfalle
Schneekatastrophe in Sicht.«
»Also müssen wir nicht ins Obergeschoss flüchten?« Käthe stellte sich neben ihre Freundin und schaute auf den verschneiten Autofriedhof.
»Nein. Und wie es jetzt aussieht, wirst du Weihnachten bei deiner Familie verbringen können.«
»Wenn du willst, kann ich bis dahin bei dir bleiben.«
Trixi freute sich über diesen Vorschlag. Der Gedanke war verlockend. Aber war das Angebot auch ernst gemeint?
»Nur, wenn du das wirklich willst«, antwortete sie und blickte ihre Freundin fragend an.
»Sicher! Bis Weihnachten sind es immerhin noch zwei Wochen. Bis dahin könnte ich bei dir einziehen. Hier zu wohnen ist nicht schlecht, weil es nicht weit bis zur Arbeit ist.«
Die Vorstellung, noch zwei Wochen Käthes Gesellschaft zu haben, gefiel Trixi. Wenn sie richtig vermutete, würde sie in dieser Zeit nicht nur die Zweisamkeit mit ihrer Freundin genießen, sondern auch Ruhe vor ihrem Verfolger haben. Diese Aussichten stimmten sie zuversichtlich.
Gemeinsam machten sie sich am Dienstagmorgen auf den Weg zur Arbeit. Sie hatten ihren letzten freien Montag in diesem Jahr hinter sich gebracht. Von nun an mussten sie bis zum Jahresende sechs Tage die Woche arbeiten, weil ein großer Kundenandrang erwartet wurde. Aber das konnte Trixi nicht erschüttern. Sie war einfach nur gut gelaunt.
Die letzten Tage vor Weihnachten vergingen wie im Flug. Wie Trixi erwartet hatte, geschah nichts, was die Stimmung der Freundinnen hätte trüben können. Von Roland Berkes war nichts mehr zu sehen. Zusendungen des Internationalen Paketdienstes wurden von einem anderen Fahrer erledigt.
Weihnachten stand vor der Tür.
Einen Tag vor Heiligabend packte Käthe ihren Koffer.
»Du weißt, dass ich nicht länger bleiben kann.« Käthe schaute Trixi an, die mit traurigem Gesicht im Türrahmen stand.
Trixi nickte.
»Meine Eltern sind schon alt. Ich weiß nicht, wie oft ich Weihnachten noch mit ihnen verbringen kann.«
»Das verstehe ich. Wie schnell man seine Eltern verlieren kann, habe ich erfahren müssen«, stimmte Trixi zu. Ihre Mutter war überraschend an einem Herzinfarkt gestorben. Ihr Vater war seiner Frau kurze Zeit später gefolgt – er starb vor Gram und Trauer, kam niemals über den Tod seiner Herrscherin hinweg.
»Es war eine schöne Zeit mit dir zusammen. Vielleicht kommst du mich ja mal wieder besuchen.«
»Bestimmt!«
Mit ihrem schweren Koffer verließ Käthe das Haus. Auf dem Gehweg lag eine dünne Schneeschicht. Darunter befand sich Eis, sodass es spiegelglatt war.
»Melde dich bitte bei mir, wenn du angekommen bist«, rief Trixi ihrer Freundin hinterher. »Bei den Straßenverhältnissen mache ich mir Sorgen um dich.«
»Ich schicke dir eine SMS«, kam es zurück. Käthe musste sich darauf konzentrieren, ihren Koffer über das Eis zum Wagen zu schaffen, ohne zu stürzen, was ihr unter Mühe gelang. Erleichtert stieg sie ein, winkte Trixi noch einmal zum Abschied und fuhr davon.
Zurück blieb ein leeres und einsames Haus.
Niemals hätte Trixi es für möglich gehalten, dass ihr Käthe einmal so wichtig werden könnte. Allein stand sie in dem erleuchteten Wohnzimmer, besann sich aber rasch und begann aufzuräumen und zu putzen. Die Arbeit lenkte sie ab.
Das Klingeln des Telefons unterbrach ihre Tätigkeit.
Wollte Käthe ihr nicht eine SMS schicken?
Sie hob ab und erlebte eine unangenehme Überraschung. Es war Roland Berkes.
»Ich möchte dich an einem der Weihnachtsfeiertage zum Essen einladen.«
Trixi war fassungslos. Woher wusste er, dass sie wieder allein war? Als sie nicht reagierte, sprach er seine Einladung noch mal aus. Trixi glaubte zu träumen. Kaum hatte Käthe das Haus verlassen, ging alles von vorn los. Wie oft hatte sie versucht, ihm klarzumachen, dass sie nicht mit ihm ausgehen wollte? Wie viele Beleidigungen hatte sie ihm an den Kopf geworfen? Wie oft hatte sie ihm ihren Standpunkt klargemacht? Das alles hatte nichts genützt.
»Was ist mit dir, Trixi?«, fragte er. »Warum sagst du nichts?«
»Weil ich dir nichts zu sagen habe.«
»Aber ich lade dich doch nur zum Essen ein.« Rolands Tonfall und seine Stimme klangen so niedergeschmettert, dass Trixi plötzlich Zweifel bekam, ob er wirklich hinter diesen grausamen Taten steckte.
Was war nur mit ihr los? Beeinflusste das bevorstehende Fest der Sentimentalitäten ihre Entschlossenheit?
»Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?«, gab sie zurück. »Du richtest mir Weihnachtsschmuck ein, ohne mich vorher zu
Weitere Kostenlose Bücher