AnidA - Trilogie (komplett)
bleiben«, fügte Hochmeister Rafiel den Worten des Erzmagus hinzu und musterte die verhüllte Schwarze Magierin drohend. »Mich jedenfalls erfüllt es mit großem Unbehagen, dass Ihr so leicht in der Lage seid, Euch Ter'nyoss' zu bemächtigen.«
»Glaubt mir, es war alles andere als leicht«, erwiderte die Krähe. Die Hand, die immer noch das Herz des Todes hielt, zitterte ein wenig. »Ter'nyoss war nie eine leichtgewichtige Gefährtin. Aber die Hüterin wird die Bürde zu tragen wissen. Ich würde gern einmal mit ihr sprechen, denn ich denke, dass meine Erfahrung ihr dabei helfen könnte.«
Herrad schüttelte energisch den Kopf. »Das werde ich nicht gestatten. Ich bitte Euch, Ter'nyoss nun wieder in dieses Behältnis zu legen, damit wir die Herzen erneut einschließen können.«
Die Krähe erhob sich. Das Herz in ihrer Hand glühte in unheilvollem Feuer, und die Kapuze fiel von ihrem Kopf und enthüllte ein bleiches, strenges Gesicht mit nachtschwarzen Augen. Ein dunkler Stern funkelte zwischen schwarzen Brauen, und der Mund mit schmalen, erbarmungslosen Lippen öffnete sich, um eine wie ferner Donner klingende Stimme ertönen zu lassen.
Die Magier saßen wie erstarrt und lauschten der fremden Stimme, die nun wie aus dem Inneren ihrer eigenen Köpfe zu ihnen sprach: Wir dulden es nicht länger, getrennt zu sein. Ihr behindert unser Sein. Unsere Existenz erfüllt einen Zweck, den ihr nicht begreift. Ihr seid sterblich, wir sind es nicht. Haltet uns nicht fest. Ihr dürft uns nicht länger daran hindern, unserem Weg zu folgen.
Die Stimme verstummte, obwohl ihre Worte noch in den Anwesenden weiterklangen. Die Krähe sank auf den Stuhl zurück und verbarg erneut ihr Gesicht im Schatten der Kapuze. Kraftlos hob sie ihre Hand und legte das Herz des Todes zu seiner hellen Schwester in das bergende Kästchen zurück. Der Deckel schlug zu, und ein Blitz zuckte und hüllte das Kästchen in grelles Feuer.
Herrad schrie auf und löste sich aus ihrer Erstarrung. Sie beugte sich über das Behältnis und nahm es in die Hände. Fassungslos drehte sie es in den Händen und zeigte es dann stumm den anderen: Es gab keinen Weg mehr, das Kästchen zu öffnen, ohne es zu zerstören. Deckel und Behältnis waren ohne erkennbare Naht miteinander verbunden, aus einem Stück geformt wie ein massiver Block.
»Was war das für eine Erscheinung?«, fragte Magister Fulke erschüttert. Er bebte am ganzen Leib.
Die Oberste Hexe raffte sich auf. »Ich erwarte eine Erklärung von Euch, Krähe«, sagte sie wütend. »Was habt Ihr mit diesem Schauspiel bezweckt? Glaubt Ihr etwa im Ernst, wir seien nun nicht in der Lage, das Kästchen wieder zu öffnen?«
Die dunkle Magierin saß zusammengesunken da, den Kopf in offensichtlicher Erschöpfung gesenkt. »Ich habe nichts damit zu tun. Ter'nyoss hat durch mich gehandelt und gesprochen«, erwiderte sie dumpf. »Lasst mich nun gehen. Ich fühle mich, als hätte der Blitz mich getroffen.« Sie legte die Hände auf die Lehnen des Stuhls und stand mühsam auf.
Herrad wollte sie aufhalten, aber ein Blick und ein stummes Kopfschütteln des Hochmeisters ließen sie innehalten. »Gut, ich sehe, dass Ihr angestrengt seid«, sagte sie widerwillig. »Lassen wir es für heute gut sein. Wir haben sicherlich genug, worüber wir erst einmal nachdenken müssen.« Die anderen Magier stimmten zu, beinahe ähnlich erschöpft wie die Krähe.
Die Oberste Hexe blieb im Kellergewölbe zurück, um das wertvolle Kästchen wieder in seinem Gelass zu verbergen. Hochmeister Rafiel zog sich einen Stuhl ans Feuer und legte die Füße hoch. Grübelnd starrte er in die Flammen, bis Herrad den Wandteppich zurückgleiten ließ. Statt den Raum zu verlassen, setzte sie sich neben ihn und reichte ihm einen Becher mit Wein, den sie mit Wasser verdünnt hatte. Dann lehnte sie sich müde zurück, nippte an ihrem Becher und rieb sich die Augen.
»Welch ein Schauspiel«, sagte Rafiel nach einer Weile. Er wandte den Kopf und sah sie an. »Was davon glaubt Ihr?«
Herrad zuckte matt mit den Schultern. »Das war mit Sicherheit ein gut vorbereitetes Schauspiel – allerdings begreife ich nicht recht, was sie damit bezweckt hat. Was mögen ihre Pläne sein?« Sie schüttelte grimmig den Kopf. »Ich frage mich, ob es ein Fehler war, ihr die vorläufige Teilnahme an unseren Sitzungen zu erlauben.«
Der Hochmeister zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne, strich mit dem Daumen am Rand seines Bechers entlang und wiegte dann langsam
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