AnidA - Trilogie (komplett)
deutlich, das wäre barmherziger.« Sie seufzte und sah Korben voller Mitleid an.
»Ich kann es dir nicht ersparen«, sagte sie traurig. »Ich weiß, wie viel dir daran gelegen hat und wie glücklich du warst, dass Jinqx dich angenommen hat. Aber ich kann nicht anders handeln, das musst du verstehen.«
Korben wandte sich ab. Jinqx betrachtete ihn mit grübelnder Miene. Dann berührte sie ihn sacht an der Schulter. »Lass mich kurz allein mit ihm reden«, sagte sie zu Anna.
Die junge Frau stand auf. »Ich werde unten in der Baumhöhle auf Euch und Tallis warten. Ich möchte das Unvermeidliche nicht länger hinauszögern.«
Die Herzen blitzten düster im schwachen Schein der Glühsteine. Anna war in ihren Anblick versunken, aber als sie die Schritte am Eingang hörte, blickte sie auf. Zu ihrer Überraschung war es Korben, der sich durch den Eingang schob und neben ihr niedersetzte. Er starrte die Herzen an, hob eine Hand, um sie zu berühren, und zog die Finger rasch wieder weg, als hätte er Hitze gespürt, an der er sich verbrannt hätte. Anna sah ihn fragend an. Sein bleiches Gesicht war verschlossen und seine Miene für sie nicht zu deuten.
»Bevor ...«, er räusperte sich, »bevor du das da vollendest«, er wies auf die Herzen, »wollte ich dich noch einmal sehen.«
»Das klingt wie ein Abschied«, sagte Anna, um einen leichteren Ton bemüht.
Korben ging darauf nicht ein. Er sah auf seine Hand nieder, die den Stoff seiner Hose knetete. Dann hob er den Kopf und versuchte ein Lächeln, was ihm allerdings nicht allzu gut gelang. »Das ist ein Abschied«, sagte er. »Jinqx hat mir etwas angeboten, was ich annehmen werde.« Er befeuchtete seine Lippen und sah Anna traurig und trotzig zugleich an. »Sie wird mich von hier fortbringen«, fuhr er fort. »Sie bringt mich zu der Welt, von der mein Vater stammt und wo mein Clan – der Clan der Raben – lebt. Sie glaubt, dass ich meine Kräfte weit genug entwickelt habe, um den Weg dorthin zu schaffen.«
Anna starrte ihn an. »Du würdest wirklich lieber von hier fortgehen, als deine Kräfte zu verlieren?«, fragte sie fassungslos. Korben nickte, und sein Gesicht zeigte nichts als eiserne Entschlossenheit.
»Aber könnt ihr hierher zurückkehren, wenn ... wenn die Herzen ihr Werk vollendet haben?«
Korben zuckte mit den Schultern, aber sein Blick flackerte ein wenig. »Wahrscheinlich könnten wir das sogar. Aber das wäre ein Weg, den wir nur einmal beschreiten könnten, denn dann wären wir in einer Welt ohne Zauberkräfte gefangen. Ich glaube nicht, dass ich das möchte. Versteh mich doch, Anna. Ich kann nicht ohne meinen Traum leben. Und ich würde endlich meinen Großvater kennen lernen.« Er versuchte ein Lächeln, das recht kläglich ausfiel.
»Dann sehen wir uns nie wieder. Und du wirst auch deinen Bruder nie wieder sehen, der bis jetzt noch nicht einmal weiß, dass er dein Bruder ist«, sagte Anna. »Ist es dir das wirklich wert? Hast du überhaupt gründlich genug darüber nachgedacht?« Korben antwortete nicht, aber er schüttelte stur den Kopf.
»Und Jinqx – warum tut sie das?«, fragte Anna hartnäckig weiter.
»Weil ich denke, dass es so richtig ist«, sagte die Krähe und trat ein. »Ich habe etwas angefangen, und das muss ich zu einem Ende bringen. Außerdem«, sie lächelte, »bin ich eine alte Frau, und ich habe all die langen Jahre als Hexe gelebt. Ich werde ein anderer Mensch sein, wenn die Magie aus der Menschenwelt verschwunden ist. Vielleicht muss ich mich erst ein wenig auf den Gedanken vorbereiten. Ich werde später immer noch die Möglichkeit haben, meinen Lebensabend als nutzlose Alte hier bei den Grennach zu verbringen – aber noch fühle ich mich dazu nicht bereit.«
»Nutzlos«, knurrte Tallis, die hinter ihr eingetreten war. »Das ist nicht das Wort, das mir als Erstes einfällt, wenn ich an dich denke. Sei ehrlich, Sturmkrähe – du hast einfach Angst, dass du dich langweilen könntest. Und es juckt dich gewiss in den Fingern, nach all den Jahren wieder einmal einen Schüler zu unterrichten.«
Die Krähe blinzelte. Anna schluckte schwer und wischte sich über die Augen. »Und jetzt?«, fragte sie kläglich.
Tallis kam an ihre Seite und griff mit ihrer faltigen kleinen Hand nach ihren kalten Fingern. Anna genoss das Gefühl der Wärme, die von der Grennach ausstrahlte, und beruhigte sich. Der Schmerz der bevorstehenden Trennung war groß, aber noch darüber stand die Angst vor dem, was danach auf sie wartete.
»Ich weiß
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