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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ihr den Atem von den Lippen. An ihren Wimpern froren die Tränen zu Eis, und ihre Hände und Füße wurden taub.
    Im Toben des Sturms waren Stimmen zu hören, die sie kannte: ihre Mutter, Jinqx, Korben, Meister Wilber, Mellis ... Alle riefen nach ihr, beschworen sie umzukehren. Sie wusste nicht, wohin sie unterwegs war, aber das Gefühl drohenden Unheils war beinahe übermächtig. Sie spürte, dass sie großes Unglück über alle bringen würde, wenn sie weiterginge.
    Ihre Füße kämpften sich durch den schwarzen Schnee. Die Kälte drohte ihre Knochen erstarren zu lassen, und jeder keuchende Atemzug schnitt wie mit Messern in ihre Lunge. Weiter. Weiter.

    Das Toben ließ nach. Immer noch schlugen unaufhörlich Blitze ein und raubten ihr die Sicht, aber der schreckliche und unnatürliche Wind legte sich nun. Anna blieb stehen, um Luft zu schöpfen und sich umzusehen. Sie glaubte, zwischen den zuckenden Blitzen einen dunklen Umriss zu erblicken, der links vor ihr aufragte. Auf dieser endlosen Ebene gab es sonst keinen Haltepunkt und keine Unterbrechung. Also drehte sie sich in diese Richtung und stapfte weiter.

    Es war ein Monolith, groß wie ein Haus, schwarz und weiß geädert und rund wie eine geschliffene Perle. Sie tastete über seine seidenglatte Oberfläche, die erstaunlich warm unter ihren Händen war. Ratlos umrundete sie den Felsen und hockte sich endlich in seinem Windschatten nieder. Gegen seine warme Haut gelehnt, schlief sie ein.

    »Ich bin so stolz auf dich.« Ihre Mutter umarmte sie und lachte mit Tränen in den Augen. »Du machst deiner Großmutter und mir alle Ehre. Komm, lass dich anschauen – die nächste Weiße Hexe in der Familie.«
    »Du musst mir helfen!« Mika rang die Hände und blickte sie voller Hoffnung an. »Wenn ich der Händlergilde das Geld nicht gebe, bringen sie mich um. Aber Samhel hat Angst vor Zauberei, und er will keinen Ärger mit dem Weißen Orden. Wenn du mit dem Gildenmeister redest, ihm mit Magie drohst ...«
    Meister Wilber stand mit resignierter Miene vor dem Bett, in dem bleich und still Cass lag. Er hob den Kopf und sah Anna an. »Hier versagt meine Heilkunst«, sagte er traurig. »Das Einzige, was ihr noch helfen kann, ist Magie. Du kannst nicht so unbarmherzig sein, sie sterben zu lassen, Anna. Du bist eine Heilerin!«
    Der Rabe flog neben ihr, und sie hörte sein Lachen in ihrem Geist. »Ist es nicht wunderbar? Wenn ich fliege, merke ich nicht mehr, dass ich ein Krüppel bin. Anna, uns beiden gehört die Welt. Jinqx wird uns alles zeigen ...«
    »Genug«, sagte Anna. »Ich weiß. Aber ich habe mich entschieden – und möglicherweise mache ich einen Fehler. Aber das ist etwas, das ich riskieren muss.«
    Sie stand auf und trat durch die dünne Membran in die schwarz-weiße Perle ein. Der innere Raum schloss sich eng und warm um sie. Sie hob die Hände mit den beiden Herzen empor, wandte das Gesicht nach oben und rief.
    Ein blendend heller Strom aus purer Energie brach durch die Hülle und traf ihre Hände. Die Herzen schmolzen in dem Sonnenfeuer und verdampften. Anna sah, wie ihre Hände durchsichtig wurden und die Geisterschatten der Herzen in sie hineinsanken. Ihre Hände lösten sich auf, dann ihre Arme. Sie schrie vor Entsetzen, als der lautlose, eiskalte Strom ihr Herz erreichte und dort zu einem Ball aus weißer und schwarzer Energie explodierte, der gleichzeitig ihr Bewusstsein auslöschte und nichts mehr übrig ließ als Agonie und Dunkel und danach das Nichts.

    Der magische Sturm, der durch die dunkle, eisige Baumhöhle getobt war, hatte sich gelegt. Tallis schob die hart gefrorene Decke von sich, richtete sich mit steifen, knackenden Beinen auf und humpelte zu Anna, die reglos in der Mitte des Raumes lag. Tallis berührte ihr kaltes Gesicht und sah das schwarze Eis, das bizarre Kristalle auf ihrer Haut bildete. Kein Atem, kein Lebenszeichen. Mit einem Stöhnen zwang die alte Grennach ihre erstarrten Finger dazu, ein Zeichen in die Luft zu malen, das sie schon ein Lebensalter lang nicht mehr gebraucht hatte. Goldenes Licht floss von ihren Fingern und breitete sich wie eine warme, kostbare Decke über die Liegende.
    Die Temperatur in der Höhle stieg spürbar an. Tallis benetzte ihre Lippen und rief. Wenig später stand Mellis mit der kleinen Heilerin Sullis neben ihr und blickte auf Anna nieder. Sullis legte ihre Hände auf Annas Gesicht und auf ihr Herz. Die beiden anderen Grennach beobachteten sie besorgt.
    Endlich sah Sullis mit ernster, aber

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