Anidas Prophezeiung
hinter mir hertraben und musste lachen. Wie oft waren wir schon so gerannt, aber wohl noch nie fort aus einer derart brenzligen Situation. Etwas später hockten wir keuchend und schnaufend in einem dürren Gebüsch und lauschten. Einige Gleiter waren in Richtung auf das Lager über uns hinweggeflogen, aber sie hatten uns nicht weiter beachtet.
»Wenn sie die Systeme wieder in Betrieb nehmen und die Armbänder aktivieren, kriegen sie uns«, sagte ich beunruhigt. »Ich weiß nicht, welche Reichweite ...«
»Aber ich«, unterbrach er mich. »Was glaubst du, womit ich mich in den letzten Monaten beschäftigt habe, seit wir rausgefunden haben, wo du abgeblieben bist? Du sprichst mit dem anerkannten Experten auf dem Gebiet des Schockarmbandes. Jetzt halt mal für einen Moment die Luft an, ich muss dir das Ding abnehmen.«
Ich klappte meinen Mund auf und wieder zu. So hatte er noch nie gewagt, mit mir zu sprechen. Er fummelte mit seinen geschickten Fingern eine Weile an meinem Armband herum und schaffte wahrhaftig, es zu knacken. Ich rieb mir den Arm und übernahm dann unter seiner Anweisung das Lösen seines Armbands.
»Okay, den ersten Schritt haben wir.« Er umarmte mich. »Mensch, Eddy, ich hab' schon befürchtet, ich seh' dich nie wieder!«
»Die Geschichte musst du mir irgendwann in aller Ruhe erzählen, Dix. Aber wie geht es jetzt weiter? Wo können wir hin?«
»Alles kein großes Problem, hoffe ich«, sagte er optimistisch. »Wir müssen jetzt nur genau das tun, was Tallis mir aufgetragen hat, dann treffen wir sie auf der anderen Seite.«
»Was für eine andere Seite, du Penner?«
Er hob die Achseln und lächelte ein wenig kläglich. »Weißt du, Eddy, ich glaube, Tallis ist ein bisschen übergeschnappt. Aber sie hat das ganze Unternehmen bis hierher geplant und finanziert, und deshalb hab ich mich nicht getraut, ihr zu widersprechen. Wir schaffen das schon irgendwie.«
Ich stöhnte. Den Ton in seiner Stimme kannte ich. Mit derselben felsenfesten Überzeugung hatte er mir vor ein paar Jahren den absolut todsicheren Bruch im Blauen Viertel schmackhaft machen wollen, bei dem schließlich die beiden Tomkins-Brüder von den Roten erschossen worden waren.
»Also gut.« Mir blieb ja kaum etwas anderes übrig. »Was jetzt?«
Er hockte sich auf die Erde und grub seine Taschen um. Leise fluchend steckte er seinen blutenden Zeigefinger in den Mund. Mit der anderen Hand fingerte er die hässliche, billige Brosche hervor, an der er sich gestochen hatte. Ich sah das Ding an und fing an zu lachen.
»Dix, dein Geschmack ist wirklich unter aller Kanone. Wo hast du denn das scheußliche Ding her? Kein Wunder, dass die Roten es dir gelassen haben ...« Ich verstummte mitten im Satz, als mir aufging, was er da hatte. Er pulte die aufgeklebten, schreiend bunten Glassteine runter und hielt mir Tallis' alte Brosche entgegen.
»Hier. Tallis sagt, du musst sie in die Hand nehmen. Ich halte mich an dir fest. Und dann musst du uns rüberbringen.« Seine Augen hingen in rührendem Vertrauen an mir.
Ich starrte abwechselnd ihn und die Brosche in meiner Handfläche an. »Dix, ihr seid wirklich beide übergeschnappt! Wie und vor allem wohin soll ich uns bringen? Mit einer Brosche? Das ist doch kein Gleiter ...« Das Ding in meiner Hand erwärmte sich. Ich verstummte und starrte es mit herausquellenden Augen an. Dix atmete scharf ein und griff nach meinem Arm.
Die Brosche begann, grüne Blitze auszusenden. Ich musste geblendet die Augen schließen und machte unwillkürlich einen Schritt nach vorne. Die Luft um mich herum erwärmte sich und schien mir Widerstand entgegenzusetzen, als würde ich durch zähen Schlamm waten. Ich öffnete erschreckt die Augen und sah auf ein verzerrtes, schlieriges Wabern direkt vor meiner Nase. Ich hob die Hand mit dem grün blitzenden Ding darin und rief: »Herz zu Herz! Nach Hause!« Die Luft verdichtete sich noch mehr und schien sich um uns herum zum Zerreißen zu spannen. Ein hohes, Nerven zerfetzendes Sirren lag in der Luft und marterte meine Trommelfelle.
Unter größten Anstrengungen tat ich den zweiten Schritt nach vorne. Die zähe Luftblase zerriss mit einem peitschenden Laut, ich wurde wie von einer gigantischen Faust gepackt und nach vorne gerissen. Undeutlich spürte ich Dix' klammernden Griff um meinen Arm, dann fand ich mich mitten in meinem Alptraum wieder. Ich stand eingesperrt in dem Block gefrorener Luft, sah vor mir mein eigenes, in fassungslosem Staunen verzerrtes Gesicht und
Weitere Kostenlose Bücher