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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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und verstummte, weil ich Probleme damit hatte, meine Fragen zu formulieren.
    »Ich hätte noch ›was‹ und ›wie‹ anzubieten«, sagte Ida. »›Warum‹ empfehle ich dagegen gar nicht, da arbeiten wir noch dran«, setzte sie ernst hinzu. Sie lachte mich nicht aus, das konnte ich sehen, es schmeckte eher nach Mitleid. Ich hasse Mitleid.
    »Setz dich«, schlug ich vor. »Das klingt wie etwas, das man nicht im Stehen erledigen sollte.«
    Sie lachte und blieb stehen. »Ich habe einen besseren Vorschlag«, sagte sie. »Du ziehst dich an, und wir holen uns ein Frühstück. Na?«
    Sie hatte Recht. Wenn ich genau hinhörte, protestierte mein Magen gerade gegen Jahre äußerster Vernachlässigung. Ich stand also auf – es gelang mir weit besser als bei meinem letzten Versuch – und wankte zu der Truhe hinüber, auf der meine Lederjacke lag. Nur meine Lederjacke. Ich hob sie auf und sah kläglich zu Ida hinüber, die es sich auf meinem Bett bequem gemacht hatte und Tallis' alte Brosche in der Hand drehte. Ich mochte nicht, dass sie sie anfasste, aber das konnten wir später klären.
    »Entschuldige bitte, aber ich kann doch unmöglich nur in einem Nachthemd und meiner Jacke ...«, begann ich. Sie deutete auf die Truhe und grinste. Es war nicht zu fassen, sie hatte sogar mein Grinsen drauf, dieses miese Duplikat!
    In der Truhe lagen Hosen und Hemden und Westen, alle in meiner Größe. Ich zog mich schweigend an und öffnete den Mund nur noch, um nach Schuhen zu fragen. Kurz darauf stand ich da, weiche halbhohe Stiefel an den Füßen, und sah noch mehr aus wie eine Zweitausgabe der Frau auf meinem Bett. Wütend schlüpfte ich in meine alte Jacke. Dabei fiel mir Chloe ein. Verdammt, verdammt, verdammt!
    Ich fand mich auf dem Bett wieder, einen mitfühlenden Arm um meine Schultern, und jemanden, die mir die Tränen abwischte, an meiner Seite. »He, was ist?«, flüsterte sie. Ich stammelte eine Erklärung und erntete ein Aufatmen. »Die Kleine ist bei Tallis«, sagte Ida. »Sie ist die Wonne des ganzen Ordenshauses. Hier hat noch nie jemand versucht, eine Ratte zu zähmen, aber ich glaube, du hast den Keim dazu in einige Köpfe gepflanzt. Ich habe schon zwei der jüngeren Schwestern im Lager Fallen aufstellen sehen.«
    Ich zog eine Grimasse. Ich war in einem verdammten Nonnenschuppen gelandet! Mir fiel zwar ein Stein vom Herzen, dass es Chloe gut ging, aber der Gedanke, dass irgendwelche hochheiligen Ordensschwestern mit Ratten auf der Schulter herumliefen, trieb mir Schauder des Entsetzens über den Rücken.
    »Weißt du, sie haben alle eine Vertraute«, fuhr Ida fort. »Katzen, manchmal Hunde, Raben, einen kleinen Drachen, so das Übliche eben. Eine von ihnen hat eine Ziege, und zwei haben Schweine, was ziemlich schwierig ist, weil Ylen sie ungern ins Haus lässt. Aber eine Ratte, das ist wirklich ausgefallen.«
    »Ei... einen Drachen? «, stotterte ich. Ida nickte.
    »Natürlich keinen von den großen, Feuer speienden Blauen«, erklärte sie beruhigend. »Ich meine die kleine gelbe Sorte, die sich von Mäusen und Insekten ernährt. Aber was sitzen wir hier und reden von Drachen. Komm, ich habe Hunger.«
    Ich folgte ihr mit schwirrendem Kopf. War ich übergeschnappt? Hatte ich irgendein Zeug eingeworfen, das mir das Hirn rausgeblasen und verkehrt herum wieder eingefüllt hatte? Ich hatte genügend Leute gesehen, die von einem Trip nicht wieder runtergekommen waren. Vielleicht irrte ich ja in Wirklichkeit gerade mit glückseligem Grinsen durch die Clouds und suchte nach Drachen.
    Meine Doppelgängerin führte mich durch das Haus, eine Treppe hinunter und in einen großen, hellen Raum mit langen Tischen und Bänken. Ich fühlte mich unangenehm an den Speisesaal der Kathromani-Nonnen erinnert. Nur, dass hier statt verschüchterter kleiner Waisen erwachsene Frauen frühstückten, die sich lebhaft und nicht gerade leise miteinander unterhielten. Wie Nonnen wirkten diese Schwestern allerdings ganz und gar nicht auf mich. Bei der einen oder anderen schien es sich sogar um einen Mann zu handeln. Und was Ida mir über ihre sogenannten »Vertrauten« erzählt hatte, war nicht gelogen gewesen, zumindest, was Katzen, Hunde und große schwarze Vögel mit hässlichen Stimmen anging. Ich bremste mich, einen Blick unter die Tische zu werfen, ob da auch Schweine herumschnüffelten. Ich wollte ja nicht gleich am ersten Tag in diesem seltsamen Ordenshaus einen schlechten Eindruck hinterlassen. Keine Drachen, jedenfalls nicht auf den ersten

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