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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Tages nur noch als zufällige und oberflächliche Ähnlichkeit herausstellen würde. Aber als sie neben dem Bett der immer noch Bewusstlosen stand, zerstob diese Hoffnung wie ein nichtiger Traum.
    »Es ist unglaublich, nicht wahr?«, flüsterte die Heilerin. Sogar sie, die sonst wenig erschüttern konnte, war deutlich beeindruckt. Ylenia nickte stumm und ließ ihre Augen über den schmalen, zähen Körper und die ausgemergelten Züge der Frau gleiten. Sogar das scheckige, dreifarbige Haar war das ihrer Nichte. Ihre große Hand hielt etwas fest umklammert.
    Ylenia fuhr herum und packte Gudren beim Arm. »Kannst du ihre Faust öffnen?«
    Gudren zuckte spöttisch mit den Lippen. »Du weißt auch nicht, was du willst, Ylen. Eben hast du mich dafür noch angefahren ... Nein, ich kann es bei ihr ebenso wenig wie bei deiner Nichte. Tut mir leid. Wir werden warten müssen, bis die beiden wieder aufwachen. Diese hier ist allerdings in etwas schlechterer körperlicher Verfassung als Ida. Hast du inzwischen eine Ahnung, wer sie sein könnte?«
    Ylenia holte tief Luft. »Eine Ahnung, ja«, sagte sie müde. »Aber sie ergibt nicht viel Sinn, Gudren.« Sie wandte sich von dem Bett ab und ging ohne ein weiteres Wort der Erklärung hinaus.

    »Ylenia«, begrüßte Tallis sie warm, als sie eintrat. Sie streckte ihre Hände aus. Ylenia ergriff sie und drückte sie herzlich.
    »Tallis, ich habe dich nicht mehr gesehen, seit meine Mutter von uns ging. Wo hast du dich nur all die Jahre herumgetrieben? Und warum hast du nie etwas von dir hören lassen? Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht!«
    Tallis verzog das Gesicht und senkte schuldbewusst ihren Blick. Sie hatte die Kleider, die sie auf dem Marsch durch den Schnee getragen hatte, gegen traditionelle Grennach-Kleidung getauscht, wahrscheinlich aus Mellis' Besitz. Die weiten schwarzen Hosen, die über den bloßen Füßen eng geknöpft waren, und die kurze, weite Jacke mit der silbernen Stickerei ließen sie in Ylenias Augen weniger fremd aussehen, als sie am gestrigen Tag auf sie gewirkt hatte.
    »Die gleiche Standpauke hat mir Mellis heute schon gehalten, Ylen. Bitte, sei nicht böse, wenn ich dir noch nicht alles sagen kann. Ich habe Angst, dass dafür noch nicht die richtige Zeit ist.«
    »Oh, ihr Grennach und euer richtiger Zeitpunkt!«, schimpfte Ylenia lachend und umarmte Tallis. Dann ließ sie sie los und sah sie sehr ernst an. »Aber eins musst du mir sagen, Tallis. Wer ist die Frau, die du mitgebracht hast und die aussieht wie meine Nichte Anida? Und komm mir jetzt bitte nicht wieder mit der ›richtigen Zeit‹!«
    Tallis erwiderte ihren Blick, ohne zu blinzeln. »Adina, ihre Zwillingsschwester natürlich«, sagte sie mit sanftem Tadel. »Was dachtest du denn, wer sie ist?«

    Ein mörderischer Kater begrüßte mich, als ich die Augen aufschlug. Das musste ja ein tolles Saufgelage gewesen sein, auch wenn mir die Details im Moment nicht so ganz zur Verfügung standen. Ich hatte sogar ein wenig Mühe, mich an meinen Namen zu erinnern. Ich ließ meine Beine aus dem Bett rutschen und richtete mich ganz langsam auf. Dann hielt ich meinen Kopf fest und wartete, bis die Welt wieder ruhig stand.
    Etwas stach mich in den Daumen. Ich blinzelte so lange, bis ich Tallis' alte Brosche im Visier und scharf gestellt hatte. Warum trug ich das Ding mit mir rum? Ich ließ es auf das Kopfkissen fallen und riskierte einen Rundblick. Ein fremdes Zimmer mit einer schönen Aussicht auf grüne und blühende Botanik. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett und eine Truhe. Einfache Möbel aus Synholz, altmodisch, aber nett. Nicht sehr aufschlussreich, das Ganze. Ich ließ im Zeitlupentempo meinen Kopf sinken und blickte an mir herab. Ein Nachthemd, wie originell. Anscheinend hatte Tallis mich abgefangen und ausgezogen, als ich letzte Nacht nach Hause geschwankt gekommen war.
    Langsames Kopfwendemanöver. Ja, da lag meine Lederjacke. Aus irgendeinem Grund freute mich das. Ich streckte den Arm aus und zog mich am Bettpfosten hoch. Gleich darauf saß ich wieder. Kinder, das musste ja ein tolles Zeug gewesen sein, was ich da geschluckt hatte. »Tallis«, rief ich kläglich. »Hallo? Ist irgendwer zu Hause?« Wo immer das auch sein mochte.
    Die Tür ging auf, und eine stämmige Frau in dunklen Hosen und einem weiten weißen Hemd kam herein. »Na bitte, was habe ich gesagt?«, polterte sie begeistert und griff mir ohne Umstände ans Kinn. Ich stöhnte und bat sie, etwas leiser zu schreien, da mir anscheinend in

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