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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Tallis wechselten einen Blick, der mir nicht gefiel.
    »Iss jetzt erst einmal, Kind«, sagte Tallis mild. »Du hast im Lager nicht gerade zugenommen. Wir müssen sehen, wie wir dich wieder auf die Beine bekommen.«
    Ich setzte zu einer wütenden Antwort an, aber Tallis sah mich so bittend an, dass ich die Bemerkung lieber mit einem Stück Brot herunterschluckte. Es schmeckte verflucht gut. Das war kein synthetisches Zeug, das war leckeres, selbst gebackenes, echtes Brot, wie es meine Großmutter gebacken hatte, mit einem Traum von Butter und säuerlichem Gelee. Ich kaute mit verzückt geschlossenen Augen und genoss die Geschmacksexplosionen auf meiner Zunge.
    Ida saß schweigend neben mir und hielt schon wieder die alte Brosche zwischen den Fingern. Sie schien sich gar nicht davon trennen zu können. Wieder bemerkte ich den Widerwillen, den es mir bereitete, sie das Schmuckstück berühren zu sehen. Es tat mir beinahe körperlich weh. »Leg sie hin!«, sagte ich scharf und funkelte sie an. Sie schrak zusammen und warf die Brosche auf den Tisch, als hätte sie sich daran verbrannt.
    »Eddy«, mahnte Tallis.
    Ich nahm die Brosche und stopfte sie in meine Jacke. »Du hast gesagt, sie ist meine. Ich kann's nicht ausstehen, wenn sie daran herumfummelt.«
    Alle schwiegen peinlich berührt. Dix kraulte gedankenverloren den Kopf einer wolligen schwarzen Hündin, die sich an sein Bein lehnte. Chloe beendete ihre Mahlzeit und kletterte von Tallis' Schulter, um sich gebührend von mir begrüßen zu lassen. Ich küsste sie zwischen die Ohren, und sie krabbelte ohne weitere Umstände in meine Jacke.
    »Entschuldigung«, sagte ich, immer noch knurrig, und steckte mir eine Scheibe Synschinken in den Mund. Er schmeckte genauso großartig wie alles andere, was ich vertilgt hatte. Ich schluckte ihn und begann zu überlegen. Aus was hatten sie den wohl gemacht, wenn es hier keine synthetischen Lebensmittel ... Als es mir endlich aufging, bereitete es mir erhebliche Mühe, mein Frühstück bei mir zu behalten. Ich griff nach dem Becher mit Tee und trank ihn hastig aus.
    »Was hast du, Eddy?«, fragte Tallis sehr besorgt. »Du bist plötzlich ganz blass geworden.«
    Ich presste meine Hand gegen den Mund und atmete tief durch. »Was ist das?«, fragte ich mühsam und deutete auf den Schinken auf Idas Teller.
    »Wieso? Du hast es doch gerade selbst gegessen, was denkst du, was es war?«
    »Das ist doch Syn, oder?«, fragte ich hoffnungsvoll. Tallis spitzte die Lippen. Dix hörte auf, zu kauen.
    »Nicht direkt«, sagte Tallis schließlich vorsichtig. »Es ist Schinken, Eddy. Echter Schinken. Von einem Schwein.«
    Dix begann zu würgen. Ich hatte den Kampf glücklicherweise schon hinter mir. »Das ist ja ekelhaft.« Er rang nach Luft. »Ihr esst lebende Tiere?«
    »Nun, genau genommen leben sie dann nicht mehr«, antwortete Ida verständnislos. Dix wurde noch blasser und schob seinen Teller weg.
    »Entschuldigt mich, ich brauche frische Luft«, murmelte er und schlängelte sich hinaus. Wahrscheinlich ging er jetzt in sich, was er in den letzten Tagen so alles zu sich genommen hatte.
    »Wenn ihr kein Fleisch mögt, ist das kein Problem«, sagte Ylenia freundlich. »Die meisten meiner Schwestern tun das auch nicht. Es gibt genügend anderes, wovon man sich ernähren kann.« Sie schien auch nicht ganz zu verstehen, wieso wir so schockiert reagiert hatten, obwohl ich sah, dass sie selbst auch nichts von dem Schinken angerührt hatte.
    Tallis seufzte. »Ich habe nicht darüber nachgedacht. Tut mir leid, Eddy.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wo sind wir hier eigentlich? Es gibt doch sicher im ganzen Kaiserreich keinen Planeten, wo noch Tiere gegessen werden.« Wieder dieser Blickwechsel zwischen Tallis und Ylenia.
    »Bist du fertig?«, fragte Tallis. Ich nickte. Mein Appetit war mir fürs Erste vergangen. »Dann sollten wir uns jetzt unterhalten«, schlug sie vor und warf einen fragenden Blick auf Ylenia. Die Frau schien hier das Sagen zu haben, das war mir schon klar. Wahrscheinlich die Ehrwürdige Oberschwester, oder wie immer das heißen mochte.
    Ylenia nickte und sah an mir vorbei auf meine Kopie, die die ganze Zeit sehr schweigsam gewesen war. »Was denkst du, Anida? Glaubst du, du kannst uns heute ein bisschen mehr sagen?« Die Kopie nickte mit unbehaglicher Miene. Anida. Hatte die Oberschwester, die meine Tante zu sein vorgab, »Anida« zu ihr gesagt? Ich schielte vorsichtig zu Ida hinüber. Sie hatte nicht gezuckt, anscheinend war das

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