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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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ergänzen, ebenso wie das Tragen der eigenen Kleidung gestattet war. Auch in diesem Punkt hatte sich der Professor gegen den General durchgesetzt. Der General hätte das Lager am liebsten wie ein Militärgefängnis geführt, ohne jegliche Zugeständnisse. Walcott waren nicht nur Anns ultrakurze Miniröcke, Karens Punkfrisur und Sarahs durchsichtige Blusen zuwider, sondern auch die Poster von Filmstars an den Wänden, die künstlichen Blumengestecke, die Kuschelkissen und was sich sonst in unseren Zimmern an persönlicher Habe befand.
    Ich ging zur Gemeinschaftsküche unserer Unterkunft und holte zwei Cokes aus dem Kühlschrank. Weder auf dem Flur noch im ebenfalls gemeinsamen Wohnzimmer traf ich eine der anderen Ratten. Ich war froh, dass sie bis jetzt nichts von dem neuerlichen Zwischenfall mitbekommen hatten. So konnte ich zuerst allein mit Rebecca reden.
    Ann und Karen, die anderen beiden Vierer neben Becky, trieben sich im Kasino herum und flirteten mit Walcotts Männern. Die beiden konnten Beckys Schwierigkeiten nicht nachvollziehen. Sie waren auf der gleichen Stufe und hatten längst keine Probleme mehr mit Übelkeit und Kreislaufstörungen. Im Gegenteil: Die hartgesottenen New Yorkerinnen, die hier beide ihren Todesurteilen wegen mehrfachen Mordes zu entgehen hofften, empfanden kein Mitleid für Becky. Meistens machten sie sich über sie lustig, beschimpften sie als Heulsuse und warfen ihr vor, die uns allen schwer erträgliche Situation durch ihre Zusammenbrüche nur noch zu verschlimmern.
    Die beiden Fünfer, also Jessica, verurteilt zu lebenslänglich wegen Entführung ihres eigenen Babys, und Sarah, ebenfalls lebenslänglich wegen Verursachung eines tödlichen Unfalls unter Alkoholeinfluss, saßen in der Zentrale bei Gustafsson und spielten Computerspiele auf der dort installierten Mediawand. Gustafsson, ein dicklicher Däne von zweifelhaftem Charakter, gestattete ihnen diesen harmlosen Zeitvertreib, wenn Walcott verreist war, weil ihm Sarah dafür gelegentlich erlaubte, mit ihrer Muschi zu spielen. Isabel, die zweite Sechs, die neben mir im Lager war, lag mit einer aus dem Kasino entwendeten Flasche Whisky auf ihrem Bett und ließ sich volllaufen. Mir sollte es egal sein, ich musste mich um Becky kümmern.
    Als ich zurück in ihr Zimmer kam, hatte sie sich wieder gefasst. Ich reichte ihr eine Coke, setzte mich im Schneidersitz aufs Bett. »Was war los, Becky? Die letzten beiden Male ging es glatt, da hast du dich nicht übergeben. Wieso der Rückfall?«
    Becky zündete sich eine Zigarette an, ihre Hände zitterten ein wenig. »Ach, fuck, drauf geschissen. Was soll ich sagen? Im ersten Jahr war’s die Angst vor den Spritzen. Im zweiten Jahr hatte ich Angst vor der Übelkeit. Im dritten Jahr hatte ich Angst, ich versage, und sie schicken mich zurück in den Bau. Na ja, und eben, als ich drin war, lief zuerst alles super. Ich hab schon gedacht, geil, die ganze Scheißangst hab ich hinter mir. Aber kaum war das in meinem Kopf, da ging’s los … Die Scheißangst, dass es vielleicht ’n Irrtum ist und ich wieder diese Scheißangst bekommen könnte. Scheißangst vor der Angst. Verstehst du?«, fügte sie lächelnd hinzu.
    »Du spinnst. Sie haben noch nie jemanden zurückgeschickt. Außerdem vertraut der Professor auf deine Fähigkeiten. Er wird nicht zulassen, dass Walcott dich aussortiert.«
    »Aber wenn ich da drinnen bin, krieg ich Panik, und ich kann absolut nicht unterscheiden, ob die Panik durch meine Angst vor der Angst kommt oder ob mein System alarmiert, weil etwas präpariert ist. Ich reagiere einfach höllisch heftig auf große Mengen Sprengstoff, und das weiß dieser Scheißschatten. Ich wette, der hat mir heute zwei Zentner TNT untergejubelt, nur um mich kotzen zu sehen. Außerdem hat er mich auf vier Einheiten geprüft und nicht auf die erlaubten zwei, dieses Schwein! Bei den Schusswaffen habe ich noch sauber alarmiert. Aber beim Sprengstoff bin ich ausgeflippt.« Becky atmete tief durch, dann straffte sie sich. »Was soll’s. Die Atemtechniken, die du mir gezeigt hast, bringen was. Mach dir keine Sorgen, ich bekomm das in den Griff. Es ist verdammt heiß heute, das nächste Mal hab ich die Kontrolle.« Entschlossen zerquetschte sie ihren Zigarettenstummel im Aschenbecher.
    »Schätzchen, in diesem Rattenloch hier ist es immer verdammt heiß«, meinte ich skeptisch. »Ich habe eher das Gefühl, dass du dich noch sperrst. Du musst endlich begreifen, dass Angst, Panik und Paranoia unser Alltag

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