Anita Blake 05 - Bleich Stille
Vampir, der sie alle ermordet hat?« Ich nickte. »Was tut er dann hier?« »Darum haben Sie Jeff so schnell gefunden. Sie stecken mit Xavier zusammen. Weiß Serephina das?«
Janos lächelte. »Sie ist unser aller Meister, Anita, auch seiner.« Das Letzte klang, als wäre er beeindruckt. »Sie werden an ihrem Elfen nicht mehr lange herum schmatzen können, wenn die Polizei Xaviers Spur bis zu Ihnen verfolgt.« »Xavier hat nur Befehle befolgt. Er war auf einem Anwerbungsfeldzug.« Wie Janos das sagte, schien es der neuste Witz zu sein.
»Warum wollten Sie Ellie Quinlan?«
»Xavier hat's hin und wieder ein bisschen mit kleinen Jungs. Das ist seine große Schwäche. Er hat den Geliebten des Mädchens herübergeholt, und der wollte sie dann für immer bei sich haben. Heute Nacht wird sie sich erheben und mit uns speisen.«
Nicht, wenn ich es verhindern kann. »Was wollen Sie, Janos?« »Ich habe die Aufgabe, Ihnen das Leben leichter zu machen«, antwortete er. »Klar doch.«
Pallas löste ihre Umschlingung und schwebte zu Stirling rüber.
Der starrte vom Boden zu ihr rauf, während er sich den gebrochenen Arm hielt. Es musste höllisch wehtun, aber es waren nicht die Schmerzen, die man ihm ansah, sondern Angst. Er starrte sie an, und die ganze Arroganz war verschwunden. Er sah aus wie ein Junge, der plötzlich merkt, dass es das Ungeheuer unter dem Bett doch gab.
Ein dritter Vampir tauchte aus den Bäumen auf. Es war die blonde Hälfte des Pärchens. Sie sah prima aus, nicht so, als wäre sie gestern noch vor unseren Augen verrottet. Ich hatte noch nie einen Vampir gekannt, der so tot aussehen konnte, ohne es zu sein.
»Bettina kennen sie ja schon«, sagte er.
Bettina trug ein schwarzes schulterfreies Kleid. Über eine Schulter fiel eine geraffte Schärpe nach vorn und steckte in dem goldenen Gürtel, der ihre Taille einschnürte. Ihr blonder Zopf war zu einem Krönchen gedreht.
Sie schritt auf uns zu, und ihr Gesicht war makellos. Die spröde, verweste Haut war ein schlechter Traum gewesen, ein Schreckgespenst. Wünschte ich mir. Feuer, hatte Jean-Claude gesagt, nur Feuer war sicher. Ich hatte geglaubt, er meinte nur Janos.
Janos langte rüber und zog Jeff von Kissa weg. Mit seinen schwarzen Handschuhen packte er den Jungen bei den Schultern. Seine Finger waren länger, als sie hätten sein dürfen, so als hätten sie ein zusätzliches Glied. Auf Jeffs weißer Jacke sah man, dass der Zeigefinger genauso lang war wie der Mittelfinger. Noch ein Gerücht, das zutraf, zumindest auf Janos. Diese befremdlich langen Finger bohrten sich ein bisschen in Jeff hinein.
Jeffs Augen waren so weit aufgerissen, dass es ihm wehtun musste.
»Was geht hier vor?«, fragte ich.
Kissa hatte noch denselben schwarzen Vinylanzug an wie in der Folterkammer, aber genau genommen konnte es nicht derselbe sein, weil Larry ein Loch rein geschossen hatte. Sie stellte sich neben ihn und ballte die Fäuste. Sie stand sehr still, wie es nur die Toten können, aber sie wirkte angespannt, auf der Hut. Sie war nicht glücklich. Ihre dunkle Haut war seltsam blass. Sie hatte heute Abend noch nichts gegessen. Das konnte ich ihnen immer ansehen ... den meisten. Ausnahmen gibt's immer.
Xavier bewegte sich mit dieser unmöglichen Geschwindigkeit als verschwommener Fleck zu Stirling rüber und stellte sich neben die bewusstlose Ms Harrison. Larry schüttelte den Kopf. »Ist er da drüben erschienen, oder habe ich ihn rennen sehen?« »Er ist gerannt«, sagte ich.
Ich wartete, dass Janos Kissa zu den anderen schicken würde, aber er tat's nicht. Derweil kam jemand über den Rand des Abhangs gekrochen, zog sich ins Blickfeld, als täte ihm jede Bewegung weh. Bleiche Hände griffen in den nackten Boden, die bleichen Arme der Frühlingsnacht entblößt. Sie ließ den Kopf hängen, sodass nur das dunkle kurze Haar zu sehen war. Dann reckte sie das Gesicht dem Mond entgegen, zog die dünnen blutleeren Lippen über die Reißzähne. Das Gesicht war vom Hunger gezeichnet. Ich wusste, dass sie braune Augen hatte, weil ich sie tot an die Decke ihres Zimmers hatte starren sehen. Sie hatten noch keine Zugkraft, doch in den dunklen Tiefen brannte ein Funke. Nicht der Funke Verstand. Aber Fressgier vielleicht. Der Hunger eines Tieres, nicht eines Menschen. Sobald sie das erste Mal hatte satt werden dürfen, würde da vielleicht Raum für Empfindungen sein. Im Augenblick verengte sich alles auf das
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