Anita Blake 05 - Bleich Stille
traute. Wie gesagt, ich traute Stirling nicht.
Bayard hatte keinen Puls. Seine Haut war an der milden Frühlingsluft schon ausgekühlt. Er war nicht sofort tot gewesen. Er war gestorben, während wir kämpften. Er war allein gewesen und hatte gewusst, dass er starb und dass er verraten worden war. Eine schlimme Art zu sterben.
Ich stand auf und sah Stirling an. Ich wollte ihn umbringen, wegen Bayard und wegen Bouvier, wegen seiner Schwester und ihrer Kinder. Weil er ein gefühlloser Schweinehund war.
Er war Zeuge, dass ich Zombies als Waffe gebraucht hatte. Magie als tödliche Waffe einzusetzen wurde mit dem Tod bestraft. Selbstverteidigung wurde als Grund nicht akzeptiert.
Ganz ruhig sah ich zu Stirling und der bewusstlosen Ms Harrison rüber und wurde mir klar, dass ich hingehen und sie beide erschießen könnte und trotzdem die Nacht ruhig schlafen würde.
Du lieber Himmel.
Larry sah kurz zu mir her, während er weiter auf Stirling zielte, trotzdem ließ er ihn dadurch einen Moment lang aus den Augen. Das war im Augenblick nicht verhängnisvoll, aber das würde ich ihm abgewöhnen müssen. »Ist Bayard tot?«
»Ja.« Ich ging wieder zu ihnen hinüber, ohne zu wissen, was ich vorhatte. Larry würde bestimmt nicht zulassen, dass ich sie kaltblütig abknallte. Einerseits war ich froh darüber. Andrerseits nicht.
Mir blies ein plötzlicher Wind ins Gesicht. In dem Wind war ein Rascheln wie von Laub oder Kleidern. Auf dem Hügel gab es keine Bäume. Ich drehte mich, den dicken 45er in beiden Händen, um, und da stand Janos am Rand des Abhangs. Ich glaube, mir blieb die Luft weg, als ich sein Skelettgesicht sah. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Auch die Hände steckten in schwarzen Handschuhen. Einen furchtbaren Moment lang sah ich nur einen schwebenden Schädel.
»Wir haben den Jungen«, sagte er.
35
Die Kreuze waren noch zu sehen. Sie strahlten ein mildes weißes Licht aus. Kein grelles Glühen, noch nicht. Wir waren nicht unmittelbar bedroht, aber sie erhitzten sich, das war durch den Hemdstoff schon zu spüren.
Janos hielt sich schützend eine Hand vor die Augen. »Bitte stecken Sie sie weg, damit wir reden können.«
Er hatte nicht gebeten, sie abzulegen. Mit meinem Kreuz im Ausschnitt konnte ich leben. Ich könnte es später wieder hervorholen. Ich ließ es mit einer Hand ins Hemd rutschen, den 45er weiter im Anschlag. Da fiel mir ein, dass ich nicht wusste, ob er mit Silbermunition geladen war. Jetzt war nicht der Augenblick, um danach zu fragen. Stirling würde sowieso lügen.
Larry steckte sein Kreuz weg. Die strahlende Nacht wurde eine Kleinigkeit dunkler. »Gut, was jetzt?«, fragte ich.
Hinter Janos kam Kissa heraufgestiegen, vor sich Jeff Quinlan wie einen Schild. Seine Brille fehlte, er sah ohne noch jünger aus. Kissa hatte ihm den Arm auf den Rücken gedreht, in einem Winkel, wo schon ein kleiner Ruck genügte, damit es qualvoll wurde.
Er trug einen cremefarbenen Smoking mit Kummerbund, der zwei Schattierungen dunkler war als die passende Schleife. Kissa kam in schwarzem Leder. Jeff stach wunderbar von ihr ab.
Ich schluckte, mein Puls drohte mich zu ersticken. Das sollte das? »Alles in Ordnung, Jeff?« »Schätze ja.«
Kissa ruckte ein bisschen an seinem Arm.
Jeff verzog das Gesicht. »Es geht mir gut.« Seine Stimme war ein bisschen heller als sonst, ein bisschen verängstigt.
Ich streckte ihm die Hand entgegen. »Komm her.« »Noch nicht«, sagte Janos. Ich hatte es versucht. »Was wollen Sie?« »Zuerst lassen Sie die Waffen fallen.« »Und wenn nicht?« Ich wusste, was er antworten würde, aber ich wollte es von ihm hören. »Dann wird Kissa den Jungen töten, und Sie haben das alles umsonst getan.«
»Helfen Sie mir«, sagte Stirling. »Die ist verrückt. Sie hat Ms Harrison mit Zombies angegriffen. Als wir uns verteidigen wollten, hat sie uns fast umgebracht.«
Das würde er wahrscheinlich auch vor Gericht sagen. Und die Geschworenen würden ihm glauben. Sie würden ihm glauben wollen. Ich wäre der große böse Leichenbändiger und er das unschuldige Opfer.
Janos lachte, seine Papierhaut drohte zu reißen, tat es aber doch nicht. »Oh nein, Mr Stirling, ich habe aus der Dunkelheit zugesehen. Ich habe gesehen, wie Sie den Mann ermordet haben.« Stirling bekam plötzlich Angst. »Ich weiß nicht, was Sie meinen. Wir haben ihn ohne Hintergedanken engagiert, und er wendet sich gegen
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