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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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Nachdenken – solche Betätigungen waren in Butlins Welt nicht statthaft. Aus Non-stop-Amüsement bestand die Tagesordnung, um die Massen umso besser gelaunt an ihre Arbeitsplätze zurückzubringen. Für die Kinder gab es den Beaver Club, in dem folgender Sittenkodex gelehrt wurde:
    B steht für: Behutsam sein mit Tieren.
    E steht für: Eifrig stets anderen helfen.
    A steht für: Allewege sauber, nett und ordentlich sein.
    V steht für: Verhilf zum Sieg durch faires Spiel.
    E steht für: Ernsthaft bei Arbeit und Spiel.
    R steht für: Respekt vor Eltern und allen Älteren.
    Der Butlin’s-Urlaub war der natürliche Nachfolger der Fahrt ans Meer am Bankfeiertag. Bankfeiertage gibt es seit 1871. Vor der Industriellen Revolution waren freie Tage durch die Kirche beherrscht und an die Gedenktage der Heiligen gebunden. Das Jahrhundert harter Arbeit hatte diese Feiertage weitgehend beseitigt, und jetzt, Anfang der 1870er Jahre, beschloss der Staat großzügig, zu intervenieren und ein paar weltliche Feiertage zu gewähren. Wieder wurde die Idee von Feiertagen, solange sie auf sinnvolle Weise verbracht wurden, in einem Ausschussbericht mit praktischen Gesichtspunkten verteidigt, denn sie
    … erlauben es sehr vielen Werktätigen, ab und zu unsere nationalen Ausstellungen zu besuchen und so ihren Horizont zu erweitern, nicht nur was die kommerzielle Größe unseres Landes angeht, sondern auch, was die wichtige Rolle betrifft, die sie zu dessen Förderung zu spielen aufgerufen sind.
    Die »Werktätigen«, glaubten die Behörden, würden sich zufriedener und stiller in den Fabriken abrackern, wenn sie wissen, dass sie zur »kommerziellen Größe« ihren Beitrag leisten. Die Tatsache, dass »kommerzielle Größe« schlicht und einfach der riesige Reichtum einer kleinen Herrschaftsschicht bedeutet, blieb den einfachen Werktätigen vermutlich verborgen. Große Firmen wenden heute die gleiche Taktik an: Man wird dazu aufgerufen, Mitglied eines »Teams« zu sein, das für etwas Großes arbeitet.
    Der Bankfeiertag war es, der dieses gewaltige britische Phänomen freier Tage am Meer auslöste, das ein zeitgenössischer Beobachter so schildert:
    Eine unterschiedslose sich vorwärts schiebende Masse von Droschken, Wagen, Karren und Kutschen; von Pferden, Ponys, Hunden, Eseln und Jungen; von Männern, Frauen, Kindern und Kindermädchen und zuletzt und als größte Masse: Babys und Badekarren … kleine Jungen mit Spaten, Kindermädchen mit Babys, Mamas mit Näharbeiten, junge Damen mit Romanen, junge Herren mit Byron, Stöckchen und Monokel, ältere mit Zeitungen, Stöckchen und Brille.
    Wir entdecken in der eben zitierten Passage einen leichten Anflug von Snobismus. Die Kultivierten und Empfindsamen der Zeit ekelte das Schauspiel der Massen beim Spiel, der Angestellten und Fabrikarbeiter, die sich in riesigen Mengen an Flüssen oder am Meer versammelten, um das seltene Gefühl zu genießen, ihr eigener Herr zu sein. Jerome K. Jerome zum Beispiel nannte diese Leute »’arrys und ’arriets«. Und der realistische Schriftsteller George Gissing, der 1892 Folgendes schrieb, hielt sich der Angelegenheit mit entsetzter Ehrfurcht fern:
    Heute ist Bankfeiertag, und auf den Straßen wimmelt es von Menschenschwärmen. Nie ist die Vulgarität der Leute so deutlich zu sehen wie an diesen Feiertagen. Ihre Vorstellung von einem freien Tag ist, in Massen an irgendeinen drückendheißen Ort, wie etwa den Crystal Palace, zu gelangen und dort zu sitzen und zu trinken und sich bis zum Stumpfsinn zu streiten. Bemitleidenswerte Kinder werden herumgeschleppt, die aus vollem Halse schreien und geschlagen werden, weil sie schreien.
    Gissing plädiert dann für einen kürzeren Arbeitstag, mit anderen Worten, für eine bessere Lebensqualität im ganzen Jahr:
    Sie ist total absurd, diese Idee, einzelne Tage für allgemeine Feiertage zu reservieren. Das wird nie etwas anderes als Schaden anrichten. Was wir wollen, das ist eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit im ganzen Jahr, so dass zum Beispiel jede Arbeit um 4 Uhr nachmittags enden würde. Dann würde die Vorstellung von Mußestunden den Menschen vertraut werden und sie würden lernen, vernünftigen Gebrauch von ihnen zu machen. Natürlich ist das unmöglich, solange wir noch arbeiten, um zu arbeiten. Die Arbeit der ganzen Welt – all das, was für die Gesundheit und Bequemlichkeit, ja selbst für den Luxus der Menschheit wirklich nötig ist – könnte in drei oder vier Stunden pro Tag erledigt werden.

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