Anleitung zum Müßiggang
meiner schlecht beratnen Jugend;
Lass wache Augen nur beschaun die Not der Tugend
Und keine bösen Träume meine Nacht belauern.
Beende, Traum, die Bilder geiler Taggelüste
Als Vorbild für die Leidenschaft von morgen;
Damit die Sonne dich nicht anerkennen müsste,
Um größern Schmerz noch meinem Gram zu borgen.
Lass mich nur schlafen und umsonst mit Wolken spielen
Und nicht erwacht des Tags Verachtung fühlen.
Der Himmel weiß, warum – Wissenschaftler kratzen sich noch immer die Köpfe –, aber Schlaf kann alle unsere Probleme lösen. Wenn wir müde und gestresst sind, können uns Sorgen und Pflichten unüberwindlich erscheinen. Am Morgen sieht alles besser aus. John Steinbeck formulierte es so: »Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass ein Problem, schwierig in der Nacht, am Morgen gelöst ist, nachdem das Schlafkomitee daran gearbeitet hat.« Albert Einstein, dessen Leistungen weit über denen Edisons stehen, sorgte dafür, dass er zehn Stunden Schlaf pro Nacht bekam.
In Counting Sheep: The Science and Pleasures of Sleep and Dream , erschienen 2002, nennt Paul Martin einen zwingenden Grund, mehr zu schlafen: »Die Puritaner und Langweiler, die arbeitssüchtigen Schlafverweigerer dieser Welt möchten uns glauben machen, Schlaf verplempere kostbare Zeit, die wir bei fruchtbarer Arbeit verbringen sollten«, beklagt sich Martin. Er beweist, dass Edison in Wahrheit ein Heuchler war, der zwar nachts vielleicht nicht lange geschlafen hat, dafür aber tagsüber öfter ein Nickerchen einlegte. Diese Nickerchen, meint Martin, könnten zur Entstehung vieler seiner Ideen geführt haben. Es ist dieser dösige Zwischenzustand zwischen Wachen und Schlafen, hypnagogischer Zustand genannt, in dem wir die besten Einfälle haben. Schlaf fördert also die Kreativität. Martin berichtet auch von vielen wissenschaftlichen Untersuchungen, die gezeigt haben, welche Vorteile langes Schlafen und kurze Nickerchen für unsere Gesundheit und Zufriedenheit haben und dass große Katastrophen wie Tschernobyl und kleinere, wie Zug- oder Autobahnunglücke, durch Schlafmangel ausgelöst worden sind. Die Profitjagd führt zu Schlafmangel, und der Schlafmangel kann zum Tode führen.
Counting Sheep ist eine beruhigende Lektüre: Es scheint nämlich, dass unsere hartnäckigen Angewohnheiten in Sachen Schlaf, die uns Müßiggängern immer vorgehalten werden, in Wahrheit gesund und normal sind. Im Müßiggang tun wir nichts weiter als unmissverständlich zu verlangen, auf eine ältere, natürlichere und primitivere Art und Weise leben zu dürfen. Schlaf ist nichts für
Schlappschwänze; Schlaf ist etwas für die stärkere Art, die Großen, die Besitzer des Schlüssels zum Glück – die Müßiggänger.
Martin führt die folgenden großen Denker auf, die auch große Schläfer waren und im Bett schrieben: Cicero, Horaz, Milton, Jonathan Swift, Rousseau, Voltaire, Anthony Trollope, Mark Twain, Robert Louis Stevenson, Proust, Colette und Winston Churchill. Ich denke, es ist angemessen, wenn man sagt, dass jeder auf dieser Liste die Welt besser hinterlassen hat, als er sie vorfand.
Menschen, die nicht viel schlafen, nutzen ihre Dynamik dazu, ihre Selbstgerechtigkeit aufzupolieren, aber sie können auch eine Menge Schaden anrichten. Sie versuchen andere zu zwingen, sich unwohl zu fühlen. Mrs. Thatcher behauptete, pro Nacht nur vier oder fünf Stunden zu schlafen. Sie benutzte diese Behauptung, um für sich als harte Arbeiterin zu werben und anderen Schuldgefühle einzupflanzen, aber in Wirklichkeit war ihr chronischer Schlafmangel wahrscheinlich auch ein Grund für ihre katastrophale Politik. Ich denke mir, sie muss in der Verfassung eines Zombies gewesen sein, als sie sich die Kopfsteuer ausdachte. Wenn man nicht schläft, dreht man durch, man wird reizbar, man wird blöd und man lässt es an seiner Umgebung aus.
Ich bin selbst in die Falle getappt und habe meinen Schlaf der Arbeit geopfert. Um unseren Redaktionsschluss bei einer frühen Ausgabe des Idler einzuhalten, arbeiteten wir schließlich 36 Stunden durch. Obwohl ich später, als alles vorüber war, gern ein wenig mit unserem heldenhaften Leiden geprotzt habe, war es eigentlich unglaublich dumm, sich dieser Strapaze zu unterziehen. Während der letzten zirka 18 Stunden dieser Arbeitsorgie arbeitete ich etwa mit einem Zehntel meiner Normalgeschwindigkeit. Es wäre produktiver gewesen, neun Stunden zu schlafen und dann die Arbeit wieder aufzunehmen. Außerdem, wen interessierte es, ob
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