Anleitung zum Müßiggang
Es gibt nur so viel Arbeit, weil es so viel Geldgier gibt. Jeder Mensch muss mit seinem Nachbarn ums Auskommen kämpfen, und der Lebensmittelhändler, der seinen Laden bis nachts halb eins geöffnet hält, hat gegenüber dem, der um Mitternacht schließt, einen Vorteil. Arbeit an sich ist kein Zweck, nur ein Mittel; aber wir machen sie heutzutage zum Zweck, und drei Viertel der Welt begreifen nichts anderes.
Womit der Autor nicht für mehr Reichtum, sondern für größere Gelassenheit auf der Welt einzutreten scheint. Wenn wir mit weniger Kohle glücklicher sein könnten, folgt daraus dann nicht, dass wir weniger arbeiten müssten, weil wir weniger Geld nötig hätten?
Unser Urlaub heutzutage leidet noch immer unter dem Butlin-Effekt: er ist überorganisiert, und es ist eine Sünde, nicht fröhlich zu sein. Im Idler brachten wir mal einen Artikel der Journalistin Fiona Russell Powell über den Pauschalurlaub mit der vielsagenden Überschrift: »Meine Leiden in anderer Leute Billigurlaub«. Wir warten auf den Flughäfen zwischen den Volksmassen, wir verirren uns beim Versuch, unsere Ferienvilla zu finden, wir geben Vermögen für Leihwagen aus, wir verlieren den Pass, die Koffer werden uns gestohlen und wir erfahren erst an unserem letzten Tag, dass man im Kloster am Ort fantastischen billigen Wein kaufen kann. Zwei Wochen reichen einfach nicht, da beginnen wir uns erst mit der Fremdheit eines anderen Landes anzufreunden. Und dann gibt es diesen absurden Nachkommen von Butlin’s: den Aktivurlaub, in dem man zu diversen Lustbarkeiten wie Fallschirmspringen, Bungee-jumping und Bananaboating ermutigt wird, die dazu da sind, dass man nicht weiter drüber nachdenkt, wie sehnlich man sich wünscht, seinem Chef das Hirn aus dem Schädel zu pusten.
Wir sind mit freien Tagen noch immer erbärmlich unterversorgt. In den letzten 70 Jahren hat sich der bezahlte Urlaub in England auf vier Wochen erhöht, und ich höre, auf jämmerliche zwei Wochen in den USA (und selbst diese karge Zuteilung wird manchmal von ehrgeizigen Arbeitstieren nicht angenommen). Ist das Zivilisation? Zwei Wochen in der Sonne ist doch wohl ein dürftiges Entgelt für fünfzig Wochen Schinderei. Die Bilanz stimmt ganz und gar nicht. In antiken Gesellschaften gab es weit mehr Ruhetage:
Im alten Ägypten verbot der Volksaberglaube die Arbeit an ungefähr einem Fünftel der Tage im Jahr. Im antiken Athen gab es jährlich fünfzig bis sechzig Feiertage, und in Tarentum überstieg in seiner größten Zeit die Anzahl der Feiertage die der Arbeitstage. Im alten römischen Kalender gab es 108 Tage, an denen namentlich aus religiösen Gründen weder Gerichts- noch andere öffentlichen Angelegenheiten durchgeführt werden durften, während im julianischen Kalender die Anzahl solcher Tage noch größer war.
Das schreibt J. A. R. Pimlott in The Englishman’s Holiday (1947). Mir erscheint es unglaublich, dass es uns bei all unseren Reichtümern und Maschinen gelungen ist, die Menge der heute genossenen Freizeit im Vergleich zu allen Zeiten vor 1800 zu verringern. Man könnte einwenden, wir haben freie Wochenenden; aber an den Wochenenden verrichten wir eine andere Arbeit – das Einkaufen. Dann spielen wir eine andere der uns zugewiesenen Rollen: die des Konsumenten. Der Supermarkt, alles andere als billig, schnell und bequem, ist teuer, zeitraubend und ein riesiges Problem. Wo ist es geblieben, unser Flanieren und Bummeln ganz nach Gutdünken durch heimische Läden?
Früher einmal waren Arbeit und Spiel miteinander vermischt. Die Idee des Urlaubstages als Flucht aus der Hölle der Arbeit ist relativ jung. Der Urlaub wurde genau in dem Moment geboren, als das Bedürfnis danach da war, als der Begriff des Jobs in der Realität heimisch geworden war und als die Arbeitswelt so unerfreulich wurde, dass Urlaub absolut notwenig wurde, um die Menschen davor zu bewahren, verrückt zu werden. Bevor wir alle Jobs hatten, als Arbeit und Muße noch miteinander verflochten waren, bestand weniger Notwendigkeit, organisierten Urlaub zu machen, weil es viele kirchliche und weltliche Feiertage und Markttage gab. Und Muße und Arbeit waren eins: Die Kinderbetreuung und das Füttern von Schweinen und Hühnern konnten mühelos miteinander verbunden werden. E. P. Thompson schreibt hierzu in Customs in Common :
Der Begriff »Muße« ist natürlich an sich ein Anachronismus. In der bäuerlichen Gesellschaft, in der Kleinbauernwirtschaft und Heimarbeit weiterbestanden, und in weiten
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