Anleitung zum Müßiggang
pusten. Das ist der erste Schritt.
Henry Miller (1891–1980)
Roll out of bed in the morning
With a great big smile and a good-good morning
Get out with a grin
There’s a bright new day to begin
Wake up with the sun and the rooster
Cock-a-doodle like the rooster uster
How can you go wrong?
If you roll out of bed with a song?
Butlins Weckliedchen aus den fünfziger
Jahren, das jeden Morgen um 7 Uhr 30 lief
England erlebte 1937 eine Revolution in Sachen Urlaub. Zum ersten Mal seit der Entstehung der Industriearbeiterklasse führte die Regierung nach zahllosen Ausschusssitzungen, Studien und viel Händeringen behutsam ein Gesetz ein, das die Unternehmer zwang, ihren Arbeitnehmern eine Woche bezahlten Urlaub im Jahr zu geben. Vermutlich kamen sich die Gesetzgeber großartig, sehr generös und freundlich vor, weil sie das taten. Der »Vergnügungs«-Unternehmer Billy Butlin, der mit seinem Einfluss die Regierung gedrängt hatte, bezahlten Urlaub einzuführen, konnte aus der neuen Freizeit Kapital schlagen: sein erstes Feriencamp, in Filey, wurde 1937 eröffnet. Bis 1945 machten jährlich 15 Millionen Briten Urlaub. Wenn man das mit den nur 8000 Menschen vergleicht, die, so wird geschätzt, im achtzehnten Jahrhundert Urlaub machten, bekommt man einen Eindruck davon, welche gewaltige Konjunktur die Idee von Ferien als organisierter kollektiver Betätigung und die Kommerzialisierung der Freizeit erlebten.
Der neue Jahresurlaub wurde durch einen Regierungsausschuss mit praktischen Überlegungen gerechtfertigt. Er würde zur Effizienz beitragen: »Es kann unserer Ansicht nach nicht geleugnet werden, dass ein jährlicher Urlaub in beträchtlichem Maße zur Zufriedenheit, Gesundheit und Effizienz der Arbeiter beiträgt.«
Es war aber unabdingbar, dass der Urlaub mit Aktivität gefüllt wurde. Er war nicht zum Faulenzen da, denn wie wir gesehen haben, erzeugt Nichtstun Aufruhr. Lasst das Volk eine Woche im Pub sitzen, und es könnte rebellisch werden. Darin hatte komischerweise der neue Urlaub sehr viel mit den ersten Feiertagen des achtzehnten Jahrhunderts gemein, nämlich dass er nicht »Freizeit um der Freizeit willen« war, sondern einen praktischen Zweck hatte, zumindest dem Anschein nach. Im achtzehnten Jahrhundert wurde das Seebad Bath von einem Mann namens Richard Nash geleitet, dem Billy Butlin jener Tage, der als Zeremonienmeister abgespannte Dandys zu einer oder zwei Wochen gesunder Erholung willkommen hieß. Nash bot eine reiche Palette eleganter Zerstreuungen, darunter Bälle, Buchverleih, Baden, Kurkapellen, Lesungen, Tanz und Reiten. Die Reichen der Zeit machten eine Pause nicht von der Arbeit, sondern vom Nichtstun. »Die Hälfte von uns kommt her, um körperliche, durch Faulheit ausgelöste Übel zu kurieren; die andere Hälfte, um der Geisteskrankheit Müßiggang und Beschäftigungslosigkeit, genannt l’ennui , Herr zu werden«, schrieb 1749 die berühmte Briefautorin Elizabeth Montagu. So wurde der Aktivurlaub geboren, den es heute noch gibt. Der einzige Unterschied ist der, dass wir nach 50 Wochen Arbeit noch einmal zwei Wochen Schinderei über uns ergehen lassen müssen.
Billy Butlin war genau der Mann, der dafür sorgte, dass die Arbeiter des zwanzigsten Jahrhunderts im Urlaub beschäftigt, gesund und effizient blieben. Es war eine Arbeitergeneration herangewachsen, die es dermaßen gewöhnt war, ständig zu arbeiten und kontrolliert zu werden, dass sie nicht wusste, wie sie sich amüsieren sollte, und so andere brauchte, die sich für sie darum kümmerten. Ein Tag in Butlins Feriencamp war ein Wirbel aus Non-stop-Aktivitäten, die das Durchschnittsbäuerlein des siebzehnten Jahrhunderts absurd gefunden haben würde. Nach dem Wecken morgens um 7 Uhr 30 wurden die Campbewohner einer verwirrenden Vielfalt von Betätigungen unterworfen: »Baden, Bowlen, Billard, Tischtennis, Gärten, Gesellschaftsräume, Tanzen, Rudern, Tennis, Kricket, Konzerte, Schönheitswettbewerbe, körperliche Ertüchtigung, Vergnügungspark, Putten, Reiten, Ausflüge, Theater.« Ausruhen stand nicht auf der Speisekarte, wie der amerikanische Satiriker und Journalist Art Buchwald bei einem Besuch in Butlin’s 1947 entdeckte. Abends um halb sechs, schreibt er, nach einem Tag voller Jux und Tollerei,
beschlossen wir, uns auf eine Bank zu setzen, um uns vor dem Abendessen auszuruhen. Ein Rotrock kam mit besorgter Miene auf uns zu. »Was ist los, amüsieren Sie sich denn nicht?«
Reflexion, Nichtstun, eine Pause zum
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