Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
drüber nachgedacht, einen Film über Sie zu drehen«, sagte er lächelnd, doch sie musste ihn enttäuschen: »Ich bin nicht Ann Kathrin Klaasen. Mein Name ist Sylvia Hoppe. Sie müssen leider mit mir vorliebnehmen. Frau Klaasen ist im Augenblick verhindert.«
Er überspielte die kurze Enttäuschung geschickt, wie sie fand. Ann Kathrin war halt eine Berühmtheit.
Er lud sie ein: »Sie sind selbstverständlich mein Gast, Frau Hoppe. Ich darf Sie doch so nennen?«
»Ja, das dürfen Sie, aber ich kann die Einladung nicht annehmen, ich bin rein dienstlich hier. Wir haben einige Fragen an Sie. Sie haben Herrn Johannes Klar angezeigt. Er sei schuld am Tod Ihrer Tochter.«
»Ja, davon bin ich immer noch überzeugt. Ich hoffe, Sie kommen jetzt, um mir mitzuteilen, dass Sie endlich genügend Beweise gegen ihn zusammenhaben. Sie können die Hunderttausend gern bekommen.«
»Welche Hunderttausend?«
»Hat Ihre Kollegin aus Emden Ihnen das nicht gesagt? Als die Ermittlungen – gelinde gesagt – schleppend vorangingen, habe ich für die Überführung des Täters eine Belohnung ausgesetzt. Einhunderttausend Euro für die Kaffeekasse, wenn Sie so wollen.«
»Sie haben meinen Kollegen in Emden Geld angeboten, damit sie Herrn Klar überführen?«
»Ja. Ist das verboten? Andere spenden für den Tierschutzverein, fürs Deutsche Rote Kreuz oder für die Behindertenarbeit. Ich wollte für die Polizei spenden. Haben Sie sich das Polizeipräsidium in Emden mal angeguckt? Das könnte ein paar wohnliche Möbel und einen neuen Anstrich gut vertragen, oder? Meinetwegen können sie auch alle zusammen davon einen Kegelausflug machen oder einen Segeltörn. Mir geht es darum, dass der Mörder meiner Tochter seiner gerechten Strafe zugeführt wird.«
Sie merkte an seinen Worten, dass er viel Zeit in Süddeutschland verbracht hatte. Hier sagte man nicht Polizeipräsidium, sondern Polizeiinspektion. Sie korrigierte ihn nicht, sondern behielt es als eine Beobachtung für sich, die sie später Ann Kathrin mitteilen wollte. Sie hatte von ihr gelernt, auf solche Feinheiten zu achten.
Er fragte sie, was sie trinken wolle. Sie bat um einen Cappuccino. Er winkte dem Kellner und bestellte: »Zwei Cappuccino«, obwohl er selbst noch Tee vor sich stehen hatte. Dann fügte er hinzu: »Und eine große Flasche Mineralwasser mit zwei Gläsern.«
»Mit oder ohne Sprudel?«
Sylvia Hoppe zuckte mit den Schultern. »Das ist mir egal.«
»Ohne!«, rief er.
»Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen? Hat sie Andeutungen gemacht? Fühlte sie sich verfolgt?«
Er nahm die Teetasse in die Hand und drehte sie zwischen den Fingern, trank aber nicht. Er hob sie an, setzte dann aber wieder ab. »Jetzt berühren Sie ein schmerzliches Kapitel. Ich kannte meine Tochter im Grunde gar nicht.«
»Nicht?«
»Nun, ihre Mutter war – sagen wir mal, ein Fehlgriff. Eine unmögliche Frau. Ich konnte nicht mit ihr leben. Etwas hat mich damals angezogen, das gebe ich gerne zu. Ich mag auch leicht marode Häuser, alles, was im Verfall begriffen ist, zieht mich irgendwie an. Aber ich will ja auch nicht in einer Ruine leben. Sie ist eine selbstzerstörerische Person, und sie hat geklammert. Das halte ich überhaupt nicht aus. Ich brauche meine Freiheit. Mein Gott, ich mache internationale Koproduktionen! Im letzten Jahr habe ich fast dreihundert Nächte in Hotelzimmern verbracht. Für den Rest der Zeit ist Neuharlingersiel mein Rückzugsort, mein Schneckenhaus, wenn Sie so wollen.«
»Damit haben Sie meine Frage nicht beantwortet. Wann haben Sie Ines zum letzten Mal gesehen, und hat sie mit Ihnen über ihre Sorgen oder Probleme gesprochen?«
»Zum letzten Mal gesehen habe ich sie auf ihrer Beerdigung.«
»Sie haben sie gezeugt, sich dann aber nicht mehr um sie gekümmert?«
Er hob die Hände in die Luft und ließ sie wie welkes Laub auf den Tisch fallen. »Ach Gott, das hört sich so nach einem Rabenvater an. Aber nein, ich glaube, das war ich nicht. Vielleicht wollte ich ihr den Konflikt ersparen, den Kinder zwischen zwei sich bekämpfenden Elternteilen erleben. Ulrike hat versucht, über das Kind Druck auf mich auszuüben, und an ihr herumgezerrt. Ich dachte, wer am meisten liebt, lässt los. Damit mein Kind nicht zerrissen wird. Außerdem führte ich ein Leben, bei dem ein Kind einfach zu kurz kommen muss. Ich ließ sie nach der Scheidung bei ihrer Mutter und, ja, verdammt, dann verlor ich sie vielleicht auch aus den Augen. Ich habe immer für sie
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